© Barbara Kellner
Die heutigen Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz waren bis 1921 selbständige Gemeinden, die nur durch die Elbe voneinander getrennt waren. Über den Fluss verkehrte eine stark frequentierte Fähre, die bereits 1471 erstmals urkundlich erwähnt wird. Wie jede größere Stadt übte auch Dresden schon Ende des 19. Jahrhunderts eine wachsende Sogwirkung auf die umliegenden Regionen aus, was zwangsläufig auch zu mehr Verkehr führte. Im Stadtgebiet führten 1890 drei Steinbogenbrücken über die Elbe. Eine vierte Brücke dieser Art, die Carolabrücke, Die Carolabrücke wurde 1895 eröffnet. Ihr Name geht auf Carola von Wasa-Holstein-Gottorp zurück, der Ehefrau des sächsischen Königs Albert I. war erst ab 1892 im Bau.
Die am weitesten östlich gelegene Brücke war die Albertbrücke, die etwa 5 km stromabwärts von Blasewitz und Loschwitz entfernt lag. Für viele Pendler und Reisende aus den Regionen um Radeberg und Bautzen war die Benutzung der Fähre zwischen Loschwitz und Blasewitz mit einem erheblichen Zeitgewinn verbunden, zumal die Verkehrswege auf dem nördlichen Elbeufer in einem schlechten Zustand waren. Entsprechend nahm der Personenverkehr auf der Elbfähre bei Blasewitz zu: wurden 1869 noch 166.000 Personentransporte gezählt, waren es 20 Jahre später etwa viermal so viel, nämlich 664.000. Es zeichnete sich daher ab, dass die Fähre über kurz oder lang durch eine feste Brücke ersetzt werden musste.
Schnitt durch die Ankerkammer auf Blasewitzer Seite
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Der Gewinn aus dem Fährbetrieb kam den beiden Gemeinden zugute und auch die Gewerbetreibenden beiderseits der Elbe profitierten von den vielen Menschen, die tagtäglich auf ihrem Weg nach Dresden durch Loschwitz und Blasewitz kamen. Die Gemeindeoberen hatten schon frühzeitig die Gefahr erkannt, dass diese Einnahmen verloren gehen würden, falls an einer anderen Stelle eine Brücke gebaut werden sollte und dadurch die Verkehrsströme um ihre Gemeinden herumgeleitet würden.
Insofern wurden die Vertreter der beiden Gemeinden schon frühzeitig aktiv, um gemeinsam durchzusetzen, dass eine weitere Elbebrücke genau zwischen Loschwitz und Blasewitz gebaut werden würde und nirgendwo sonst. Natürlich hatten sie dabei von Anfang an eine gebührenpflichtige Brücke im Sinn, denn nur so war es ihnen möglich, die liebgewonnenen Einnahmen auch weiterhin zu erzielen. Allerdings waren die kleinen Gemeinden zu finanzschwach, um eine solches Projekt alleine zu stemmen. Es ging also vor allem darum, den Staat Sachsen mit ins Boot zu nehmen.
Die gemeinsamen Anstrengungen der Gemeindevertreter setzten schon etwa 1870 ein. Um Bewegung in die Sache zu bringen reichte man 1883 eine entsprechende Petition beim sächsischen Landtag ein, die jedoch abgelehnt wurde. Von Seiten der renitenten Gemeinden ließ man aber nicht locker und scheint nur wenige Jahre später auch ein Umdenken erreicht zu haben. Zumindest befasste sich die Landesregierung nun soweit mit dem Thema, dass sie durch ihre Wasserbaudirektion technische Kriterien und Mindestanforderungen für eine Elbebrücke ausarbeiten ließ.
Zu den wichtigsten Bedingungen der Behörde gehörte eine freie Spannweite von mindestens 135 m, damit keine Pfeiler im Flußbett erforderlich wären. Eine weitere Forderung betraf das ungewöhnliche statische System, denn das Finanzministerium schrieb eine versteifte, statisch bestimmte Hängebrücke vor. Die Gemeinden hatten auf eigene Initiative bereits mehrere Entwürfe ausarbeiten lassen, von denen zwei den Kriterien entsprachen. Ein dritter Entwurf von der Firma Felten & Guillaume aus Mülheim / Ruhr schied aber aus, weil er eine "normale" (statisch unbestimmte) Hängebrücke mit Drahtkabeln Hätte man sich für diesen Vorschlag entschieden, wäre die erste Hängebrücke Deutschlands, die nicht an Ketten sondern an Drahtseilen aufgehängt ist, in Drsden gebaut worden. Stattdessen war die erste deutsche Brücke dieser Art die Argenbrücke zwischen Kressbronn und Langenargen am Bodensee (1897). vorsah.
Claus Köpcke
wurde am 28.10.1831 in Borstel (damaliges Königreich Hannover) geboren. Er studierte an der Polytechnischen Schule in Hannover und legte 1853 die Staatsprüfung für Ingenieurwesen und Architektur ab. Seine ersten Berufsjahre widmet er vor allem dem Bau von Hafenanlagen. Ab 1863 war er bei der Hannoverschen Staatsbahn tätig, bis er 1868 zum Preußischen Handelsministerium kam. Nur ein Jahr später wurde er als Professor für Eisenbahn-, Wasser- und Brückenbau an das Polytechnikum in Dresden berufen. Diese Tätigkeit übte er allerdings nur drei Jahre lang aus. Offenbar lag ihm die praktische Tätigkeit in einer Bauverwaltung mehr. Im Jahre 1872 wechselte er noch einmal seinen Dienstherrn und ging zum Königlich Sächsischen Finanzministerium. Hier war er vor allem für den Ausbau des Schienennetzes der sächsischen Schmalspurbahnen tätig und erwarb sich große Verdienste um den wirtschaftlichen Aufschwung Sachsens. Bei seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst im Jahre 1903 hatte er den Rang eines Ministerialdirigenten erreicht. Kurz vor seinem Tode verlieh ihm das Land Sachsen für seine Verdienste die Titel "Wirklicher Geheimer Rat" und "Exzellenz". Claus Köpcke starb am 21.11.1911 im Alter von 80 Jahren in Dresden. Die für den Bau zuständige Behörde war das sächsische Finanzministerium, in dem es zu dieser Zeit auch eine ganze Abteilung für den aufstrebenden Eisenbahnbau gab. Mit der Ausarbeitung der Pläne wurde der Geheime Finanzrat Claus Köpcke betraut, der auch Professor für Ingenieurwissenschaften am Polytechnikum in Dresden war. Köpcke projektierte eine Brücke, die für die damalige Zeit wegen ihrer ungewöhnlichen Konstruktion und ihrer großen Spannweite als sensationell empfunden wurde. |
Zu der Fokussierung auf eine versteifte Hängebrücke hatte mit Sicherheit auch das Eingreifen von Claus Köpcke beigetragen, der zu dieser Zeit Geheimrat im sächsischen Finanzministerium war. Seine wichtigste Aufgabe war eigentlich der Ausbau des sächsischen Eisenbahnnetzes. Die versteifte Hängebrücke war aber ein Thema, dem sich Köpcke im Laufe seines Berufslebens in Aufsätzen und Vorträgen Köpckes erste Veröffentlichung zu diesem Thema trug den Titel "Über die Construction einer steifen Hängebrücke", veröffentlicht in der "Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hannover" (1860) immer wieder zugewandt hatte. Bisher hatte sich aber noch nie eine Gelegenheit für ihn ergeben, eine solche Brücke auch wirklich zu bauen. Da für die Elbebrücke bei Loschwitz auch Schienenverkehr vorgesehen war, ließen sich durchaus gute Argumente finden, in diesem Fall ein solches System zu realisieren.
Diese Chance wollte sich Köpcke offenbar nicht entgehen lassen, sodass er den Bau der Brücke zur Chefsache erklärte und sich fortan persönlich um das weitere Vorgehen kümmerte. Auf der Basis der beiden vorliegenden Pläne entwickelte er unter Einbeziehung seiner früheren Erkenntnisse einen neuen Entwurf, der schließlich die Grundlage für den Bau der Loschwitzer Brücke war. Schon in dieser Phase scheint Köpcke mit Manfred Krüger einen Partner aus früheren Projekten eingeschaltet zu haben, der ihn bei der Bearbeitung des Planes unterstützte. Krüger war einer von Köpckes ehemaligen Studenten am Königlich Sächsischen Polytechnikum Köpcke übte die Lehrtätigkeit am Polytechnikum in Dresden nur von 1869-1872 aus. in Dresden und hatte ihn u.a. schon beim Bau der Oschütztalbrücke in Weida unterstützt.
1889 waren die Pläne weitgehend ausgearbeitet und wurden nun auch in der Öffentlichkeit bekannt. Die völlig neuartige Konstruktion stieß aber nicht überall auf Zustimmung und beinahe wäre die öffentliche Meinung noch einmal zugunsten einer traditionellen Steinbogenbrücke gekippt, weil sie die "dem landschaftlichen Bild am meisten zusagende Verbindung" sei. Die Bogenbrücke scheiterte aber schließlich an dem Votum der Elbschiffer, die sich vehement gegen eine weitere Brücke mit Pfeilern im Flussbett wehrten.
Als die Entscheidung zugunsten einer weit gespannten Eisenbrücke endgültig gefallen war, griff Köpcke erneut in die Umsetzung des Bauvorhabens ein, indem er der Königin Marienhütte in Cainsdorf die Lieferung des Eisenmaterials besonders ans Herz legte. Die Hütte hatte dem sächsischen Staat in der Vergangenheit schon diverse Eisenkonstruktionen geliefert und zwar stets zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers. Daraufhin gab die Hütte auch ein Angebot ab, wurde aber zunächst von einem Konkurrenten unterboten. Erst als der Preis noch einmal erheblich nachverhandelt worden war, stand einer Vergabe des Auftrages für die Materiallieferung an die Marienhütte nichts mehr im Wege.
Die Bauarbeiten begannen im September 1891 unter der Oberbauleitung von Manfred Krüger mit der Herstellung der beiden Stützpfeiler und der Ankerkammern. Für die Steinarbeiten und die Herstellung der Zufahrtsstraßen war Bauinspektor Aemil Ringel zuständig. Zuvor mussten aber auf beiden Seiten der Elbe einige Häuser abgerissen werden, um Platz für die Baustelle zu schaffen. Obwohl Köpcke offiziell nichts mit den Bauarbeiten zu tun hatte, scheint sich Krüger selbst in Detailfragen, wie z.B. der Gestaltung des Geländers, immer wieder mit Köpcke abgestimmt zu haben. Derweil waren die kritischen Stimmen zum Erscheinungsbild der Brücke keineswegs verstummt und in einigen Zeitungen wurde weiterhin Stimmung gegen die Brücke gemacht.
Die 'Brückenbremse' (oben) auf dem Versteifungsträger. Darunter eines der Federgelenke. © Robert Menge |
Das Blaue Wunder ist ein recht eigenartiges Bauwerk, das vom Konstruktionstyp her aber den Hängebrücken zuzuordnen Zahlreiche Quellen (auch im Internet) bezeichnen sie immer wieder als Auslegerbrücke, was jedoch keinesfalls den Tatsachen entspricht, obwohl sie für Laien gewisse Ähnlichkeiten mit diesem System hat. ist. Genauer gesagt handelt es sich um eine so genannte Bandeisenbrücke (oder auch Zügelgurtbrücke), weil die Fahrbahn nicht wie sonst bei Hängebrücken an Ketten oder Stahlseilen aufgehängt ist, sondern an einem Zugband aus vernieteten Flacheisen. Des Weiteren ist die Fahrbahn nicht einfach an senkrechten "Hängern" befestigt, sondern über ein zweifaches, steifes Strebenfachwerk an den Eisengurten aufgehängt. Am theoretischen Schnittpunkt von Ober- und Untergurt sowie an den Pylonspitzen befinden sich Gelenke mit Stahlfedern. Dadurch ist das System äußerlich statisch bestimmt, wie es ja ausdrücklich verlangt wurde. Zur Verstärkung des Mittelstücks des Trägers, in dem ja das Strebenfachwerk fehlt, ordnete Köpcke zusätzlich 2,50 m hohe Fachwerkträger an, die allerdings das Erscheinungsbild der Brücke in der Seitenansicht stark beeinträchtigen.
Die Verankerungen der Zugbänder sind in vier gewaltigen Ankerkammern untergebracht, die sich unterirdisch jeweils 62 m hinter den Pylonen befinden. Wie bei vielen anderen Hängebrücken aus dieser Zeit, wurden die Ankerkammern zu einem Sorgenkind bei der Brückenunterhaltung. Bei bestimmten Hochwasserständen werden die Kammern teilweise oder auch vollständig geflutet, was die Korrosion der schmiedeeisernen Bauteile fördert. Die Kammern wurden bereits vor einigen Jahren grundlegend saniert und bedürfen intensiver Wartung, insbesondere nach jedem Hochwasserereignis.
Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten 'Brückenbremsen', die horizontale Schubkräfte aus dem Verkehrsgeschehen auffangen sollen. Köpcke installierte sie erst nachträglich, weil ihm die Schwankungen des Trägers unter Verkehr - wider Erwarten - als zu groß erschienen. Da es anderenorts schon mehrfach (z.B. 1831 in Broughton) zu entsprechenden Unfällen gekommen war, hatte man zu dieser Zeit ein besonderes Augenmerk auf im Gleichschritt marschierende Soldatenkolonnen. Auch dagegen sollte die Bremse schützen. Die Bremse besteht aus fingerförmigen Blechen in den Eisenbändern, die sich gegenseitig überlagern und durch massive Schrauben verbunden sind (siehe Foto). Durch die von den Schrauben erzeugte Reibung kommt es erst ab einer bestimmten Längsspannung zu einer horizontalen Verschiebung der Bleche, wobei Energie vernichtet wird und es zu der Bremswirkung kommt. Die 'Bremsen' befinden sich in der Mitte des Trägers an den tiefsten Punkten des Eisenbandes und sind für Fußgänger gut sichtbar.
Die Belastungsprobe am 11. Juli 1893
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Die Fahrbahn auf der Brücke bestand ursprünglich aus Eichen-Kernholzpflaster, das auf einer diagonal verlegten eisernen Tragkonstruktion aufgebracht wurde. In diese Fahrbahn waren zwei Geleise für die Dresdner Straßenbahn eingelegt. Man hatte die erste elektrifizierte Straßenbahnlinie Dresdens bis zur neuen Brücke verlängert aber dennoch wurden in den ersten Betriebsjahren der Brücke die meisten der Straßenbahnen noch von Pferden gezogen.
Hatten die Vorbereitungen noch endlos lange gedauert, kamen die eigentlichen Bauarbeiten recht zügig voran. Bereits zwei Jahre nach dem ersten Spatenstich war die Brücke fertig und konnte einem zeitgenössischen Belastungstest unterzogen werden. Da es zur damaligen Zeit noch keine zuverlässigen Berechnungsverfahren gab, mit denen sich das statische Verhalten einer solchen Brücke zuverlässig abbilden ließ, kam jeder Belastungsprobe eine große Bedeutung zu. Es ging aber auch darum, die Bevölkerung durch einen solchen Test von der Tragfähigkeit der Brücke zu überzeugen. Erst mit der Einführung genauerer Berechnungsverfahren verloren Belastungsproben langsam an Bedeutung, werden aber auch heute teilweise noch durchgeführt.
Am 11. Juli 1893 war es soweit: an den Ufern der Elbe hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, um das Schauspiel aus nächster Nähe zu beobachten. Man wollte ganz sicher sein, dass die Brücke im täglichen Betrieb niemals eine größere Last tragen müsste, als bei diesem Test. Dementsprechend mutete man ihr allerhand zu: drei Dampfwalzen, drei weitere von Pferden gezogene Straßenwalzen, drei Straßenbahnwagen die mit Schiffsankern und Steinen beladen waren, drei Feuerlöschwagen samt Wasser und Zugtieren, einen voll besetzten zweispännigen Pferdebahnwagen und mehrere Kutschen. Insgesamt ein Gewicht von 157 Tonnen. Außerdem marschierte eine Kompanie des Dresdner Jägerbataillons über die Brücke und auch Passanten durften sich mit ihrem eigenen Körpergewicht an dem Test beteiligen. Alldem hielt die Brücke problemlos stand und bewies mit einer maximalen Durchbiegung von nur 9 mm in der Mitte des Trägers ihre Belastbarkeit.
Nur vier Tage später, am 15. Juli 1893, wurde die Brücke - erneut unter großer Anteilnahme der Dresdner - feierlich eingeweiht. Köpcke war als Vertreter des Finanzministeriums erschienen und hielt eine kurze Rede, in der er das Engagement der beteiligten Gemeinden besonders herausstellte. Das Bauwerk wurde zu Ehren des damaligen sächsischen Königs auf den Namen 'König-Albert-Brücke' getauft. Seit 1921 heißt sie offiziell 'Loschwitzer Brücke'. Die Notwendigkeit zur Umbenennung ergab sich durch die Eingemeindungen von Loschwitz und Blasewitz am 1. April 1921. Da es zu dieser Zeit in Dresden bereits eine 'Albertbrücke' gab, musste eine von beiden umbenannt werden (ebenso wie diverse Straßen). Inoffiziell wurde der Name 'Loschwitzer Brücke' aber schon viel früher Z.B.: Deutsche Bauzeitung 1894 (Seite 428) oder Mehrtens, 1900 (Seite 34). verwendet, speziell in technischen Fachbeiträgen. Im Volksmund war sie aber zu allen Zeiten das 'Blaue Wunder'. Der Ursprung dieses Namens ist im 'kobalt-zinkweißen' Schutzanstrich zu sehen, der übrigens von Anfang an blau war. Die sich hartnäckig behauptende Legende, dass die Brücke ursprünglich grün angestrichen war und sich dann in blau 'verwandelt' hätte, kann man getrost in das Reich der Phantasie verweisen.
In der Ankerkammer © Dietmar Just |
Tatsächlich empfanden aber viele Menschen gegen Ende des 19. Jahrhunderts dieses Bauwerk als wahres Wunder der Technik, denn mit einer Spannweite von 147 m und Seitenspannen von jeweils 62 m war sie eine der größten Brücken Europas und die Verwendung von Eisen sowie die besondere Konstruktion waren noch sehr ungewohnt. Die Bauarbeiten verschlangen die für damalige Verhältnisse gewaltige Summe von 2,25 Mill. Goldmark, die von den beiden Gemeinden und der sächsischen Staatsregierung getragen wurden.
Um die Investition wieder hereinzuholen, wurde für jede Person (und jedes mitgeführte Tier) die zu Fuß oder in einem Fahrzeug die Brücke benutzen wollte, ein Brückenzoll erhoben. Dieser betrug pro Person 2 Pfennige, für Gänse und Hühner ebenfalls 2 Pfennige und für Zugtiere 10 Pfennige. Zur Vereinnahmung der Gebühr aber auch zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit wurde ein Brückenaufseher eingestellt, der auch kleinere Reparaturen durchzuführen hatte. Probleme oder größere Beschädigungen hatte er seiner vorgesetzten Dienststelle zu melden. Aus einem Schreiben von Krüger an Köpcke geht hervor, welche Anforderungen an entsprechende Bewerber zu stellen waren: "Der Wärter selbst möchte ein kräftiger jüngerer Mann sein, welcher gut sieht, turnerisch veranlagt und schwindelfrei ist, sich nicht scheut mit Hilfe von Feuerwehrleitern in den Diagonalen emporzusteigen". Außerdem sollte er handwerkliches Geschick besitzen und Aushänge an der Brücke klar und deutlich schreiben können. Der eingestellte 'Brückenschreiber' nahm seine Aufgabe offenbar sehr ernst, denn die beiden Gemeinden konnten die erhofften Einnahmen tatsächlich erzielen. Die Gebührenpflicht wurde 1921 im Zuge der Eingliederung der beiden Ortsteile abgeschafft.
Die Loschwitzer Brücke wurde 1893 auf der Weltausstellung in Chicago Zum vierhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus trug die Ausstellung den Titel: 'World’s Columbian Exposition' als sächsischer Beitrag präsentiert. Köpcke, der persönlich daran teilnahm, kam zugute, dass die Ausstellung um ein Jahr verschoben worden war, denn nur dadurch konnte er die vollendete Brücke vorgestellen. Zu den Ausstellungsexponaten gehörten technische Zeichnungen, ein Modell und stark vergrößerte Fotografien des sächsischen Hoffotografen Emil Römmler.
Die seitlichen Gehwege wurden nachträglich angebaut © Robert Menge |
Auch unter Fachleuten wurde die Loschwitzer Brücke schon vor ihrer Vollendung kontrovers diskutiert. Viele Berufskollegen Köpckes äußerten sich nicht nur kritisch in Bezug auf die Architektur, sondern auch zu seinem technischen Ansatz. So urteilte Georg Mehrtens in seinem Buch "Der Deutsche Brückenbau im XIX. Jahrhundert": "…die reizlosen Umrisse der durchweg vernieteten schweren Obergurte der Loschwitzer Brücke in Verbindung mit dem ungewöhnlich hohen Pfeilverhältnis von etwa 1:6 und der unschönen Versteifung des Mittelgelenkes durch aufgelegte Trägerstücke wirken in ästhetischer Beziehung wenig befriedigend." Und für den Ingenieur Köpcke fast noch schlimmer: "Was die künstliche Begrenzung des Horizontalschubes anlangt, so liegt dazu nach Ansicht des Verfassers aus Gründen der Sicherheit eine Nothwendigkeit nicht vor."
Fakt ist, dass sich Köpckes Verfahren zur Versteifung von Hängebrücken letztendlich nicht durchsetzen konnte. Weltweit wurden nur wenige Brücken nach seinem System gebaut, was die Loschwitzer Brücke andererseits aber auch zu einem ganz besonderen technischen Exponat macht. Unabhängig davon leistete Köpcke mit seiner Idee einen wichtigen Beitrag zu einer der meistdiskutierten Fragen des damaligen Brückenbaus. Die Hängebrücken hatten sich innerhalb kürzester Zeit als kostengünstige Alternative etabliert, machten aber im Betrieb wegen ihrer fehlenden Steifigkeit anfangs viele Schwierigkeiten.
Insbesondere bei der Verwendung in Eisenbahntrassen führte dieses Problem zu großen Schäden. Röbling begegnete diesem Phänomen schon beim Bau der Niagarabrücke und später auch bei der Brooklyn Bridge durch die zusätzliche Anordnung von Schrägseilen. Letztendlich setzte sich aber die Verwendung von steifen, meist sehr hohen, rahmenartigen Fachwerkträgern durch. Beispiele dafür sind die Golden Gate Bridge, die Mackinac Straits Bridge und auch die Akashi Kaikyo Brücke, heute die größte Hängebrücke der Welt.
Zu den bei der Brückeneröffnung vertretenen Verkehrsarten gesellte sich nach wenigen Jahren das Automobil. Bis zum Jahre 1935 hatte der Straßenverkehr schon so stark zugenommen, dass sich Fußgänger und Autos auf der Brücke immer mehr in die Quere kamen. Eine Zeitlang wurde sogar darüber diskutiert, die Brücke abzureißen und durch ein Betonbauwerk zu ersetzen. Schließlich entschied man sich jedoch dafür, die Brücke zu erhalten und lediglich auf beiden Seiten Gehwege anzubauen. In den 1950er Jahren wurde die hölzerne Fahrbahn durch einen Eisenbelag ersetzt und 1982 wurde das gesamte Mauerwerk einschließlich der Ankerkammern gründlich saniert.
Blick vom Pylon auf den Fahrbahnträger und die Elbe © Roland Lubinger |
Wie so viele Brücken die im zweiten Weltkrieg von der einen oder der anderen Seite aus taktischen Gründen geopfert wurden, sollte auch das Blaue Wunder beim Rückmarsch der deutschen Truppen von der SS gesprengt werden. Durch ihr mutiges Eingreifen verhinderten die Dresdner Erich Stöckel und Paul Zickler die Zerstörung des heute unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks. Unabhängig und ohne Wissen voneinander, zerschnitt der eine die Zündschnüre der bereits vorbereiteten Sprengung, während der andere die Leitungen aus der Sammelbatterie zog. Den beiden Rettern des Blauen Wunders ist eine Gedenktafel gewidmet, die sich am Brückenkopf auf Blasewitzer Uferseite befindet.
Trotz aller Anstrengungen mehrten sich jedoch bald die Anzeichen für eine deutliche Überlastung der Brücke, die im April 1986 zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs führte. Später wurde die Nutzung der Brücke aber auch für alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 15 Tonnen verboten. Eine Ausnahme gibt es nur noch für Linienbusse. Um die Beschränkung zu überwachen wurde auf dem Schillerplatz eine Fahrzeugwaage installiert, mit deren Hilfe Informationen über die tatsächliche Belastung der Brücke gesammelt werden. Die Waage ist mit einer Kamera kombiniert, damit Verstöße gegen das Nutzungsverbot geahndet werden können.
Rund um die Brücke befinden sich heute zahlreiche Lokale und Gaststätten, von denen aus man bei allerlei Köstlichkeiten den buchstäblich "wunderbaren" Blick auf das Bauwerk, die Elbe und die darauf verkehrenden Schiffe genießen kann.