© Bernd Nebel
Am 1.1.1801 trat der "Act of Union 1800" in Kraft, mit der sich das bis dahin aus England, Wales und Schottland bestehende Großbritannien auch noch das Königreich Irland einverleibte. Die politische Reform führte in den folgenden Jahren auch zu einem deutlichen Anstieg des Verkehrsaufkommens zwischen den Handelszentren London und Dublin.
Zu Beginn des 19. Jhd. wurde der Waren- und Personentransport auf dem Landweg größtenteils mit der Kraft von Nutztieren abgewickelt, also mit Postkutschen und Fuhrwerken, vor die Pferde oder Ochsen gespannt wurden. Allerdings war der Zustand der meisten Straßen desolat, sofern man diesen Begriff überhaupt auf die holprigen und morastigen Verkehrswege anwenden konnte.
Zwischen London und Dublin gab es zwei große Hindernisse, von denen die Reisezeit mit einer Postkutsche entscheidend abhing: dies war zum einen der St. Georgskanal zwischen der Insel Anglesey und Irland und zum anderen die Menai Strait, ein Meeresarm der Anglesey vom Festland trennt. An dem etwa 100 km langen Seeweg zwischen der Hafenstadt Holyhead und Dublin war nichts zu ändern, aber die Menai Strait ist an ihrer engsten Stelle nur ca. 400 m breit. Außerdem ragen bei Ebbe an vielen Stellen Felsen aus dem Wasser, die durchaus als Fundament für eine Brücke in Frage kamen.
Die Menai Meeresstraße von der Brücke aus gesehen. Links die Insel Anglesey. © Bernd Nebel |
Erste Überlegungen für eine feste Verbindung über die Strait hatte es schon um 1785 gegeben, aber durch den Act of Union wurde der ökonomische Druck spürbar größer. Die sechs Fähren über den Meeresarm waren wetter- und gezeitenabhängig, sodass besonders bei Sturm oder Eisgang mit erheblichen Reiseverzögerungen gerechnet werden musste.
Bereits ein Jahr nach der Vereinigung wurde der renommierte schottische Baumeister John Rennie (1761-1821) damit beauftragt, Vorschläge für eine Brücke über die Menai Strait einzureichen. Rennie arbeitete vier verschiedene Entwürfe aus, die allesamt mehrfeldrige, gusseiserne Bogenbrücken mit Spannweiten zwischen 91 und 137 m vorsahen. Gut 20 Jahre nach dem Bau der Iron Bridge waren solche Brücken der Stand der Technik, und auch Rennie hatte damit schon experimentiert. Die Regierung hielt die Pläne zwar grundsätzlich für ausführbar, stellte aber zunächst keine Mittel für deren Umsetzung zur Verfügung.
Erst 1810 griff die britische Administration das nationale Transportproblem wieder auf und beschloss eine Straße zwischen London und Holyhead bauen zu lassen. Neben der direkten Verbindung der Städte sollte auch eine "Coast Line" gebaut werden, die von der Menai Strait entlang der walisischen Küste zu den aufstrebenden Wirtschaftszentren in Nordengland und Schottland führen sollte. Das machte außer der Querung der Menaistraße aber noch eine zweite große Brücke bei der walisischen Stadt Conwy erforderlich.
Im Jahre 1810 erhielt Thomas Telford den Auftrag, konkrete Pläne für den nördlichen Abschnitt der Straße und die beiden Brücken auszuarbeiten. Telford war einer der bekanntesten Ingenieure seiner Zeit und hatte sich unter anderem als Baumeister des Ellesmerekanals (heute Llangollenkanal) einen Namen gemacht, wobei der heute noch bestehende Pontcysyllte Aquädukt (1805) als besondere Leistung herausragt. Der Bau der "Holyhead Road" und der beiden Brücken sollte Telford -mit Unterbrechungen- für die nächsten 20 Jahre intensiv beschäftigen.
Telfords Plan zum Bau einer Bogenbrücke ohne Leergerüste aus "The Life of Thomas Telford" von Samuel Smiles |
Wie Rennie blieb Telford zunächst bei einer gusseisernen Bogenbrücke, vergrößerte aber die Spannweite auf 500 Fuß (152,4 m) und die Höhe der Fahrbahn über dem höchsten Wasserstand auf 100 Fuß (30,5 m). Da ihm von der mächtigen Admiralität untersagt wurde, die Fahrrinne während der Bauarbeiten mit Leergerüsten zu versperren, entwickelte er ein neuartiges Verfahren zum Bau einer Bogenbrücke ohne Gerüste, mit dem er den "freien Vorbau mit Hilfsabspannungen" vorwegnahm. Der Bogen sollte aus kurzen Segmenten gebaut werden, die bis zum Bogenschluss von Ketten in ihrer Position gehalten werden sollten.
Sein Entwurf, bei dem er auch einen Felsen in der Wasserstraße als Fundament nutzen wollte, fand breite Zustimmung. Dass er trotzdem nicht verwirklicht wurde, hatte Telford vor allem Napoleon zu verdanken. Bereits 1806 hatte der Franzose die Kontinentalsperre gegen England verhängt und die in Europa wütenden Koalitionskriege banden auch in Großbritannien über Jahre hinweg viele Ressourcen.
In der Zwischenzeit wurde Telford mit dem Bau der Runcornbrücke über den Mersey River (nördlich Liverpool) beauftragt. Eine gewöhnliche Bogenbrücke kam bei diesem Projekt nicht in Frage, denn in dem fast 370 m breiten Mündungbereich des Flusses konnten keine Zwischenpfeiler errichtet werden. Etwa zu dieser Zeit drang die Nachricht von den ersten, wenige Jahre zuvor in Amerika errichteten Hängebrücken nach Großbritannien. In den Vorteilen dieses neuartigen Brückentyps, große Spannweiten bei geringem Gewicht und niedrigen Kosten, sah Telford die Lösung für die Runcornbrücke. Da es in Großbritannien bis dahin kaum Erfahrungen mit Hängebrücken gab, führte er im Vorfeld über zweihundert Materialversuche durch, bei denen er sowohl Ketten als auch Drahtseile untersuchte. Er war aber nicht der einzige Brite der sich mit dem neuen Brückentyp beschäftigte und 1817 kam ihm Captain Samuel Brown zuvor, indem er sich das britische Patent auf Hängebrücken erteilen lies.
Ein Meilenstein der Holyhead Road © Bernd Nebel |
Im Frühjahr 1814 legte Telford seinen Entwurf für eine Ketten-Hängebrücke bei Runcorn vor, die eine für die damalige Zeit sensationelle Spannweite von 305 m (1000 Fuß) und Seitenfelder von jeweils 152 m (500 Fuß) vorsah. Da es Finanzierungsprobleme gab, wurde sein Plan leider nie verwirklicht, aber im Grunde genommen war dieser Entwurf noch weit spektakulärer als derjenige für die Menai Brücke.
Noch im Jahr der siegreichen Schlacht bei Waterloo (1815) nahm die Regierung das Projekt der Holyhead Road wieder auf und beauftragte Telford mit dem Bau des nördlichen Abschnitts einschließlich der beiden großen Brücken. Seine Erfahrungen bei den Materialtests für die Runcornbrücke veranlassten ihn aber dazu, ganz neu über diese beiden Brücken nachzudenken. Wenn er sich zutraute in Runcorn eine Hängebrücke mit 1000 Fuß Spannweite zu bauen, warum sollte er das Gleiche dann nicht auch an der Menai Strait und in Conwy mit weit geringeren Spannweiten tun?
Zunächst aber war Telford mit dem Straßenbau beschäftigt in deren Verlauf noch weitere, allerdings kleinere Brücken zu bauen waren, wie z.B. die wunderschöne Waterloo Bridge bei Betws-y-Coed. Je weiter der Straßenbau vorankam, umso stärker wuchs in Telford der Entschluss, von seiner Bogenbrücke Abstand zu nehmen und sowohl über die Menai Strait als auch in Conwy Hängebrücken zu errichten.
Im Jahre 1818 legte er der Regierung einen neuen Entwurf für die Menaibrücke vor, der eine Kettenbrücke mit einer Spannweite von 170 m vorsah. Seitlich sollten auf der Insel Anglesey vier und auf der Festlandseite drei Steinbögen errichtet werden, die bis an die beiden mächtigen Pylone herangeführt werden sollten. Als die Entscheidung gefallen war ging alles sehr schnell, und bereits im Juli 1819 wurde der Plan vom britischen Parlament gebilligt, aber im Laufe der Bauarbeiten noch in einigen Details verändert.
Telford übertrug die örtliche Bauleitung für die Mauerwerksarbeiten auf William Alexander Provis, der am 10. August 1819 ohne größere Feierlichkeiten den Grundstein legte. Zunächst mussten aber noch die Gründungssohlen für die Pfeiler begradigt werden, sodass die umfangreichen Steinarbeiten erst 1820 richtig in Schwung kamen. Hauptsächlich wurde Kalkstein verwendet, der in einem Steinbruch bei Penmon auf der Insel Anglesey abgebaut und per Schiff zur Baustelle transportiert wurde. Die Arbeiten auf der Baustelle gingen so zügig voran, dass die Steinbrüche zeitweise mit den Materiallieferungen nicht nachkamen. Auf dem Höhepunkt der Mauerwerksarbeiten waren auf der Baustelle über 300 Männer beschäftigt.
Die beiden Pylone haben eine Grundfläche von ca. 21 x 15 m, eine Gesamthöhe von 47 m und wurden zusätzlich mit Marmor verkleidet, der ebenfalls aus Anglesey stammte. Wie schon beim Pontcysyllte Aquädukt lies Telford die Pfeiler innen hohl und steifte sie nur durch Zwischenwände aus. Im Spätherbst 1824 wurden die Mauerwerksarbeiten zum Abschluss gebracht und die komplizierte Aufhängung der Ketten konnte vorbereitet werden.
Telfords ursprünglicher Plan zur Rückverankerung der Ketten. Hinter dem Pylon sollten die Kettenreihen wie Schrägseile angeordnet und einzeln unter verschiedenen Winkeln mit dem Mauerwerk verbunden werden.
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Der Auftrag zur Herstellung der Ketten war bereits 1820 an William Hazeldine (1763-1840) aus Shrewsbury vergeben worden. Hazeldine war zu dieser Zeit Großbritanniens führender Hersteller von Eisenbauteilen und Telford hatte schon häufig mit ihm zusammengearbeitet, u.a. beim Bau des Pontcysyllte Aquädukts und der Mythe Bridge. Die Aufsicht über die Eisenarbeiten auf der Baustelle (Iron work supervisor) übertrug er Thomas Rhodes.
Die original Ketten der Menai Strait Brücke bestanden aus vier Reihen, von denen zwei außen und zwei in der Mitte zwischen den Fahrspuren angeordnet waren. Jede dieser Kettenreihen bestand aus vier übereinanderliegenden Ketten, insgesamt also 16 Einzelketten, die jeweils 23,4 Tonnen wogen. Zuerst hatte Telford vorgesehen, die Kettenreihen zur Rückverankerung hinter den Pylonen aufzulösen und als Diagonalketten unter verschiedenen Winkeln mit den rückwärtigen Bögen zu verbinden. Im Laufe der Bauarbeiten änderte er jedoch die Pläne und lies die Kettenreihen gemeinsam durch die Pylonspitzen hindurch laufen und im anstehenden Fels verankern.
Dazu wurden auf beiden Seiten der Brücke 18 m tiefe Tunnel in die Felsen gebohrt, die im Inneren des Gesteins miteinander verbunden wurden. So konnte man gusseiserne Platten quer in den Kammern verankern, an denen die Ketten mit 3 m langen Bolzen befestigt wurden. Da die Verhältnisse auf der Festlandseite etwas beengt waren, gehen die Ketten hier direkt durch das Zollhaus, bevor sie in den Felsen verschwinden. Nachdem die Ketten von den Ankerkammern bis zu den Pylonspitzen montiert waren, konnte man sich der größten Herausforderung beim Bau dieser Brücke zuwenden: dem Einbau der mittleren Kettenabschnitte.
Walisische Mutproben
Als die erste Kette ohne Zwischenfälle montiert war, machte sich sowohl bei den Arbeitern als auch beim Publikum ein ausgelassenes Hochgefühl breit, dem wir zwei amüsante Anekdoten verdanken: Am Abend der ersten erfolgreichen Kettenmontage wagten es zwei besonders mutige Arbeiter, die Menai Strait auf der nur etwa 23 cm breiten und frei schwingenden Kette zu überqueren. Das Geschehen wurde von vielen Schaulustigen beobachtet und nach erfolgreichem Abschluss mit reichlich Beifall belohnt. Das ist aber noch gar nichts gegen die Geschichte, die ein Zeitzeuge viele Jahre später einem britischen Reporter erzählte: "Ich war damals ein Schüler der Grundschule in Bangor, als am 26. April 1825 die erste Kette der Menai Strait Brücke aufgezogen wurde. Nachdem die Arbeiter die Baustelle verlassen hatten, kletterte ein Schuster aus der Umgebung bis zum tiefsten Punkt der Kette und vollendete dort die Arbeit an ein Paar Schuhen. Als er damit fertig war, kletterte er unfallfrei zum Pylon und von dort zum Ufer zurück. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass seine Tollkühnheit auf uns Schüler damals weit mehr Eindruck machte, als die Leistung des Baumeisters Thomas Telford." |
Ein wesentlicher Nachteil von Ketten gegenüber Drahtkabeln beim Bau von Hängebrücken besteht darin, dass die Montage der Ketten im Bereich der Hauptspannweite nur "am Stück" erfolgen kann und daher sehr kompliziert ist. Für ein solches Unternehmen gab es vor dem Bau der Menaibrücke kein adäquates Beispiel, und entsprechend groß war die Aufregung am Morgen des 26. April 1825, als die erste Kette montiert werden sollte.
Thomas Telford war von London nach Bangor gereist, um die Arbeiten persönlich zu leiten, und an den Ufern des Meeresarmes hatten sich tausende Schaulustiger eingefunden, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten.
Die Kette wurde auf einem 137 m langen Floß vormontiert und vorsichtig zwischen die Brückenpfeiler manövriert. Dort wurde das Floß so gut wie möglich fixiert und das Aufziehen der Kette konnte beginnen. Zunächst wurde ein Ende der Kette mit einem Flaschenzug verbunden, der auf der Spitze des Pylons montiert war. Dann wurde die Kette durch die Muskelkraft von 150 Männern langsam aber stetig nach oben gezogen. Dafür mussten zwei riesige gekoppelte Drehkreuze -wie beim Einholen eines Schiffsankers- über Umlenkrollen in Bewegung gesetzt werden.
Die Chronisten vergaßen auch nicht zu erwähnen, dass die Arbeit von der Musik einer ortsansässigen Band begleitet wurde und die Männer -trotz der schweißtreibenden Tätigkeit- ein heroisches Lied dazu schmetterten. Als die Arbeit vollendet war und beide Enden der Kette auf den Pylonspitzen montiert waren, brandete von beiden Seiten des Ufers tosender Beifall auf.
In den kommenden Wochen wurden die 15 restlichen Ketten ohne nennenswerte Zwischenfälle auf die gleiche Weise montiert. Die letzte am 9. Juli 1825. Jahre später, wenige Monate vor seinem Tod, äußerte Telford gegenüber einem guten Freund seinen psychischen Zustand vor dem entscheidenden Moment der Kettenmontage. Er hatte wochenlang kaum geschlafen und befürchtete während dieser Zeit sogar ernsthafte Konsequenzen für seine Gesundheit.
Dieses historische Foto (ca. 1900) zeigt die ursprüngliche Anordnung der Ketten. Der Gehweg befindet sich in der Mitte zwischen den Fahrspuren. Die Rückhalteketten sind mit der Fahrbahn verbunden, um größere Schwingungen zu vermeiden.
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Nach der aufregenden Montage der Ketten bereiteten die restlichen Arbeiten keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr. Um eine gleichmäßige Verteilung der Kräfte in den gebündelten Kettenreihen zu gewährleisten, wurden jeweils die erste und die dritte, sowie die zweite und die vierte Kette mit Klammern verbunden. Die Rückverankerungen in den Seitenfeldern haben keine tragende Funktion zu übernehmen, weil ja die massiven Bogenreihen diesen Teil der Fahrbahn abstützen. Dennoch wurden die Ketten auch in diesem Bereich durch vertikale Hänger mit der Fahrbahn verbunden und mit Querträgern gegeneinander ausgesteift, weil man sonst zu starke Schwingungen befürchtet hätte.
Die beiden Richtungsfahrbahnen waren jeweils zwischen den äußeren und inneren Ketten angeordnet und dazwischen, in der Mitte der Brücke, ein Gehweg. Im Gegensatz zum massiven Mauerwerk und den soliden Ketten war das Brückendeck ausgesprochen leicht. Von den Kettenpaaren führten vertikale Hänger in kurzen Abständen nach unten, an die eiserne Querträger aufgehängt waren. Auf diesen Trägern wurde das Brückendeck montiert, das aus zwei Lagen Kiefernholz bestand und durchgehend 12,7 cm stark war. Die Fahrbahnen erhielten zusätzlich einen 8 cm starken Holzbelag sowie seitliche Spurbalken, welche die Postkutschen und Fuhrwerke in der Spur halten sollten.
Ende 1825 war die Menai Suspension Bridge fertig und wurde nach intensiven Belastungstests am 30. Januar 1826 eröffnet. An diesem Tag fuhr die Postkutsche von London nach Holyhead zum ersten Mal ohne Aufenthalt über die Menai Strait. Für die Insassen verkürzte sich die durchschnittliche Reisezeit zwischen London und Holyhead um ganze neun Stunden auf "nur noch" 27 Stunden.
Die Brücke war bei ihrer Fertigstellung eine technische Sensation über die in allen europäischen Fachzeitschriften berichtet wurde. Neben allen technischen Innovationen hatte sie aber auch eine Schwäche, nämlich eine viel zu geringe Aussteifung des Trägers. Weder die Fahrbahn selbst noch die Spurbegrenzungen konnten diesen Zweck erfüllen und auch die Geländer waren nicht dazu geeignet die Konstruktion wirksam zu versteifen.
Auf der Festlandseite gehen die Ketten durch das Zollhaus in die Ankerkammern © Bernd Nebel |
Die Menai Strait ist nicht weit von der offenen See entfernt und wird daher häufig von heftigen Stürmen heimgesucht. Es dauerte auch nicht lange, bis es zu ersten Problemen mit der neuen Brücke kam. Noch im Jahr der Eröffnung erfuhr das Deck bei einem Sturm bedenkliche Verformungen, sodass einige der vertikalen Zugstangen brachen. Danach wurden die vier Kettenreihen quer miteinander verbunden, um das Gewicht der gemeinsam wirkenden Konstruktion zu vergrößern und zwar sowohl über der Hauptöffnung als auch im Bereich der Rückhalteketten. Außerdem wurden die Spurbalken erhöht und unter dem Träger massive Balken in Längsrichtung angebracht.
Diese Maßnahmen waren aber keineswegs ausreichend und in den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Beschädigungen und anschließenden Reparaturen. Bei einem besonders heftigen Sturm in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 1839 rissen über 1/3 der Zugstangen und Teile der Fahrbahn und des Geländers stürzten ins Wasser. Die Ketten blieben dabei allerdings fast unbeschädigt.
Schon bald nach der Fertigstellung der Brücke verlor der Verkehr mit Postkutschen und Fuhrwerken rapide an Bedeutung, weil mit der Eisenbahn ein konkurrenzfähiger Wettbewerber auf der Bildfläche erschien. Bereits im Jahr vor der Eröffnung der Menai Strait Brücke war zwischen Stockton und Darlington die erste britische Eisenbahnlinie eröffnet worden. Gerade in Großbritannien wurden die Strecken zügig ausgebaut und schon bald wurde der Ruf nach einer Eisenbahnlinie zwischen Chester und Holyhead laut.
Auch einer Eisenbahnlinie stand natürlich die Menai Strait als größtes Hindernis im Wege, und was lag näher, als die immer weniger ausgelastete Kettenbrücke für die Eisenbahn zu verwenden? Die Euphorie wurde aber schnell gebremst, als Prof. Barlow 1 1840 ein Gutachten vorlegte, mit dem er Telfords Brücke als gänzlich ungeeignet für die Eisenbahn erklärte. In der Zwischenzeit hatte man nämlich auf einer anderen Eisenbahnstrecke schlechte Erfahrungen mit Hängebrücken gemacht. Als Folge dieser Expertise begann Robert Stephenson 20 Jahre nach der Eröffnung der Menai Strait Bridge, etwa 1,6 km weiter westlich mit dem Bau der Britannia Brücke.
Die neuen Stahlketten aus dem Jahre 1938 © Bernd Nebel |
Zunächst wurde es also etwas ruhiger auf der Hängebrücke. Allerdings nur etwa bis zum Anfang des 20. Jhd., als eine weitere technische Neuerung Furore machte: das Automobil. Um 1891 wurden sowohl in Amerika als auch in Europa die ersten Autofabriken errichtet und beflügelten den Siegeszug des individuellen Fortbewegungsmittels. Der wieder zunehmende Verkehr machte schon 1893 eine Sanierung der vernachlässigten Brücke erforderlich. Sir Benjamin Baker, der vier Jahre zuvor die Firth of Forth Eisenbahnbrücke vollendet hatte, tauschte den hölzernen Fahrbahnträger gegen ein Stahldeck aus.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jhd. stieg das Verkehrsaufkommen auf der Brücke kontinuierlich an, und außerdem wurden die Fahrzeuge und LKW immer schwerer. Für solche Lasten war die Brücke aber nicht gebaut worden und so musste schließlich ein grundlegender Umbau der Brücke vorgenommen werden.
Bei den 1938 durchgeführten Arbeiten wurden die Fahrbahnen verbreitert und auf die Bedürfnisse moderner Fahrzeuge angepasst. Als Zwangspunkte blieben aber die engen Durchfahrten in den Pylonen, die auch heute noch unverändert sind. Die Fahrbahn erhielt einen Asphaltbelag und der Gehweg wurde von der Mitte auf beide Außenseiten verlegt.
In statischer Hinsicht war die wichtigste Änderung aber der Austausch der über 100 Jahre alten schmiedeeisernen Ketten. Mit Rücksicht auf das historische Erscheinungsbild der Brücke wurden die vier original Kettenreihen durch zwei außen liegende Stahlketten ersetzt, obwohl sich in der Zwischenzeit längst Drahtkabel gegenüber Ketten durchgesetzt hatten. Die neuen Ketten bestehen aus zwei übereinanderliegenden Reihen von jeweils sechs hochkant gestellten Flacheisen, insgesamt also 24 Einzelketten. Bei den senkrechten Hängern war man weniger traditionsbewusst, denn sie wurden aus Drahtkabeln hergestellt. Auch für die Benutzer der Brücke gab es nach dem Umbau eine wichtige Änderung: zum ersten Mal seit ihrem Bau war sie nun mautfrei.
Blick von der Holyhead Road zurück auf die Brücke © Mark Rogers |
Die Hängebrücke blieb für Jahrzehnte die einzige Straßenbrücke über den Meeresarm, bis die Zerstörung der Britannia Bridge durch ein Feuer dazu zwang, ganz neu über die Verkehrssituation an der Menai Strait nachzudenken. Als die Britannia Bridge nach beträchtlichen Umbauarbeiten 1971 wieder eröffnet wurde, übernahm sie außer der Eisenbahnlinie auch den größten Teil des Straßenverkehrs.
Auch wenn heute eigentlich nur noch ihre gemauerten Bögen und die Pylone dem Originalzustand entsprechen, wirkt die Menai Strait Brücke, dank der liebevollen Pflege, für den Betrachter und Benutzer sehr authentisch. Im Jahr 2003 wurde sie von der Institution Of Civil Engineers und der American Society Of Civil Engineers zur "INTERNATIONAL HISTORIC CIVIL ENGINEERING LANDMARK" ernannt.
Die Menai Strait Bridge blieb Thomas Telfords berühmtestes Bauwerk, mit dem er sich selbst ein bleibendes Denkmal setzte. Zwei Jahre nach ihrer Eröffnung stellte er auch die Hängebrücke bei Conwy fertig. Sie hat eine etwas kürzere Spannweite und wurde besonders für ihre gelungene Architektur gelobt, bei der er sich von der direkten Nachbarschaft des Conwy Castle inspirieren ließ. Im Gegensatz zur Menaibrücke wird sie auch heute noch von den originalen Ketten aus Schmiedeeisen getragen.
1 William Henry Barlow (1812-1902) arbeitete für die Midland Railways und war später an der Vollendung der Clifton Suspension Bridge beteiligt. Von 1879-1880 war er Vorsitzender der Institution of Civil Engineers, deren erster Präsident Thomas Telford war.
Quellen:
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