englisch auch: "Tagus River Bridge"
Lissabon / Portugal
Die Vasco da Gama Brücke vom westlichen Ufer im Stadtteil Sacavém aus gesehen
© Bernd Nebel |
Der Tejo, in Spanien Rio Tajo, Bei den Römern hieß der Fluss 'Tagus' ist der längste Fluss auf der iberischen Halbinsel. Nach einem Fließweg von über 1.000 km in vorwiegend ost-westlicher Richtung, mündet er bei Lissabon in den Atlantik. Kurz vor der Mündung weitet sich der Fluss zu einem bis zu 14 km breiten Becken, das die Kommunikation mit den westlichen Landesteilen und Spanien erschwert.
Die besondere Lage Lissabons hatte den Vorteil, dass sich mit relativ geringem Aufwand gut geschützte Hafenanlagen errichten ließen. Andererseits beschränkte die breite Flussmündung die Entwicklung Lissabons über Jahrhunderte hinweg auf die westliche Uferseite. Der Warenaustausch mit Almada auf der östlichen Seite des Tejo, erfolgte fast ausschließlich mit Schiffen und Fähren, denn der Landweg zwischen Lissabon und Almada über die nächste Tejobrücke bedeutete einen enormen Umweg.
Die Pylone wurden mit einer besonderen Kletterschalung hergestellt. Im Hintergrund entstehen die Pfeiler für die Balkenbrücke. © HOCHTIEF |
Die unbefriedigende Verkehrssituation änderte sich erst 1966, durch die Fertigstellung des Ponte 25 de Abril. Sie war die erste feste Verbindung über den Tejo im Großraum Lissabon. Diese Brücke für Straße und Schiene, die auf den ersten Blick an die Golden Gate Bridge in San Francisco erinnert, wurde sofort zur wichtigsten Verkehrsader Lissabons und ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt.
Allerdings war der Ponte 25 de Abril durch die zunehmende Mobilität der Portugiesen schon einige Jahre später so stark überlastet, dass der Straßenverkehr während der Rush Hour fast täglich zum Erliegen kam. Da alle Benutzer der Brücke zwangsläufig durch die Innenstadt Lissabons mussten, quälten sich pro Jahr ca. 44 Mio. LKW und PKW durch die historische Altstadt. In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jhd. führte die katastrophale Verkehrssituation zu einer nicht hinnehmbaren Belastung der Bevölkerung mit Lärm und Abgasen.
Die Chance für eine Entlastung der Innenstadt ergab sich im Zuge der Vorbereitungen auf die Weltausstellung im Jahre 1998, die in Lissabon einen ungeheuren Bauboom auslöste. Das auch heute noch sehr reizvolle EXPO-Gelände befindet sich am Nordrand der Stadt und hier entstand auch die zweite Brücke, fast an der breitesten Stelle der Tejomündung. Durch ihre Lage erfüllt sie einerseits eine Zubringerfunktion für Lissabon, dient aber andererseits für den Nord-Südverkehr zwischen Porto und der Algarve auch als Umfahrungsroute für die Hauptstadt.
Die wichtigsten Abmessungen der Schrägseilbrücke
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Finanzierung, Bau und Betrieb des Ponte Vasco da Gama, wurden durch eine private Interessengemeinschaft realisiert. Das Konsortium LUSOPONTE, LUSOPONTE ist heute eine Tochter des französischen Bau- und Konzessionsunternehmens VINCI welches im Wesentlichen aus portugiesischen, britischen und französischen Firmen besteht, erhielt den Zuschlag für den Bau und den Betrieb der Brücke. Der Vertrag erlaubt es LUSOPONTE, bis zum Jahr 2030 die Mautgebühren zu vereinnahmen. Nach dem Vertrag sollte die Konzession aber vorzeitig enden, sobald die Brücke von mehr als 2,25 Milliarden Fahrzeugen benutzt würde. Diese Klausel des Vertrages wird aus heutiger Sicht aber wohl keinesfalls wirksam werden.
Vasco da Gama
Vasco da Gama war ein berühmter portugiesischer Seefahrer und Entdecker. Er stammte aus Sines, etwa 100 km südlich von Lissabon.
Seine größte Leistung war die Entdeckung des Seeweges von Europa nach Indien. An diesem Vorhaben war Christoph Kolumbus nur wenige Jahre vorher gescheitert, entdeckte dabei aber Amerika. Ziel dieser Expeditionen war der direkte Gewürzhandel mit Indien, um den kostspieligen Zwischenhandel der Perser, Araber, Türken und Venezianer auf dem Landweg auszuschalten.
Der Plan ging auf: Nach mehr als 10-monatiger Reise um das Kap der Guten Hoffnung herum, landete da Gama am 20. Mai 1498 bei Calicut an der westindischen Küste. Portugal sicherte sich durch diesen Wissensvorsprung für lange Zeit das Monopol im europäischen Gewürzhandel. Der Warenverkehr mit Asien sollte Portugal großen Reichtum bescheren und eine führende Stellung unter den Kolonialmächten des 16. und 17. Jahrhunderts sichern.
Vasco da Gama erhielt von König Manuel für diese Tat eine großzügige Rente sowie diverse Titel und Privilegien. Am Ende seines Lebens wurde er sogar zum Vizekönig von Indien ernannt. Im Verlauf seines Antrittsbesuchs erkrankte er schwer und verstarb an Heiligabend 1524 in Cochin / Indien.
Zur Erinnerung an die Entdeckung des Seeweges nach Indien wurde die zweite Tejobrücke, die fast auf den Tag genau 500 Jahre später eingeweiht wurde, nach ihm benannt.
Interessanterweise wurde der Vertrag mit LUSOPONTE insoweit auch auf die Ponte 25 de Abril ausgedehnt, als das Unternehmen seit 1999 auch die Mauteinnahmen dieser Brücke vereinnahmen darf. Bis dahin waren die Einnahmen vom Ponte 25 de Abril in den Haushalt des portugiesischen Staates geflossen. Die Abtretung der Mauteinnahmen vom Ponte 25 de Abril war nämlich der Finanzierungsbeitrag Portugals Der Anteil des portugiesischen Staates an den Gesamtkosten der Vasco da Gama Brücke betrug 6% an den Baukosten für die Vasco da Gama Brücke. Nach Ablauf der ca. 30-jährigen Vertragsdauer werden die Mauteinnahmen beider Brücken in den portugiesischen Staatshaushalt fließen.
Am 1. November 1755 wurde Lissabon von einem fürchterlichen Erdbeben, sowie den dadurch ausgelösten Bränden und einem anschließenden Tsunami zu ca. 85% zerstört. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern könnten dabei bis zu 100.000 Menschen Lissabon hatte zu dieser Zeit 275.000 Einwohner ums Leben gekommen sein. Dieses historische Ereignis hatte sich tief in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingegraben. Es führte dazu, dass jedes größere Bauvorhaben in Lissabon auch im Hinblick auf seine Widerstandsfähigkeit gegen Erderschütterungen überprüft werden musste. Dies galt natürlich ganz besonders auch für Brücken. Die Vasco da Gama Brücke wurde daher so konzipiert, dass sie sogar einem 4 1/2 mal so starken Beben wie dem von 1755 widerstehen soll.
Natürlich war bei einem Projekt dieser Größenordnung, an einer so sensiblen Stelle, auch ganz besonderes Augenmerk auf die Belange des Naturschutzes zu richten. Das sumpfige Brackwasser im Mündungsgebiet des Tejo bietet vielen Tier- und Pflanzenarten einen optimalen Lebensraum. Insbesondere nisten hier unzählige Vögel, darunter auch seltene und geschützte Arten wie z.B. Flamingos. Wesentliche Randbedingung war daher der Schutz dieser Rückzugsräume, sowohl bei den Bauarbeiten, als auch während des Betriebs der Brücke.
Ein weiteres Problem war die dichte Wohnbebauung im Norden Lissabons. An der Stelle, an der die Brücke das westliche Ufer erreicht und die Zufahrtsrampen entstanden, befanden sich vorher dicht aneinandergedrängt die Wohnungen armer Familien. In Beschreibungen aus der damaligen Zeit ist sogar von "Slums" die Rede, wenn man sich auch bei einer europäischen Hauptstadt am Ende des 20. Jahrhunderts innerlich gegen diese Bezeichnung sträuben mag. Zum Gesamtprojekt gehörte daher auch die Aufgabe, für ca. 300 Familien aus diesem Gebiet neue Wohnungen im Stadtteil Quinta do Carmo zu errichten.
Zum verantwortlichen Ingenieur für die Entwurfsaufstellung hatte man den Portugiesen Armando Rito ernannt, dem der erfahrene Brückenbauer Michel Virlogeux Der Franzose Michelle Virlogeux war u.a. am Bau des Pont de Normandie und des Viaduct de Millau beteiligt als "offizieller Experte" zur Seite gestellt wurde. Die Bauarbeiten begannen im Februar 1995 mit den Gründungsarbeiten. Für die Fundamente der beiden Pylone wurden jeweils 44 Bohrpfähle mit Durchmessern von 2,20 m und Längen bis zu 90 m in das weiche Flussbett getrieben. Die Pylonfundamente sind darauf ausgelegt, sogar dem Anprall eines 30.000-Tonnen Schiffes mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten standzuhalten. Außer den beiden großen Pylonfundamenten waren noch 81 kleinere Fundamente für die Balkenbrücken herzustellen.
Der Blick aus dem Flugzeug vermittelt einen Eindruck von der Gesamtlänge der Brücke
© Brigitte Knobl |
Die beiden H-förmigen Pylone bestehen aus Stahlbeton und sind 155 m hoch. Die Betonierarbeiten für die Pylone wurden in jeweils 43 Abschnitten mit selbstkletternden Schalungen ausgeführt. Das Schalungssystem bestand aus drei übereinander angeordneten Arbeitsplattformen auf denen parallel gearbeitet wurde. Oben wurde die Stahlbewehrung für den nächsten Abschnitt vorbereitet, in der Mitte wurde betoniert und unten wurde ein fertiger Abschnitt ausgeschalt. Dadurch konnte die Herstellung der Pylone stark beschleunigt werden.
Bei den Botonierarbeiten an einem der Pylone kam es zu einem tragischen Unfall durch einen Gerüsteinsturz, bei dem sechs Bauarbeiter ums Leben kamen. Insgesamt waren 3.300 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt, die ca. 700.000 m³ Beton und 145.000 Tonnen Stahl verarbeiteten.
Der Fahrbahnträger ist an insgesamt 192 Schrägseilen, also 96 Kabeln pro Pylon und 48 pro Pylonseite, aufgehängt, die in der so genannten "Büschelform" angeordnet sind. Im Gegensatz zu einer Hängebrücke werden bei einer Schrägseilbrücke die Seile gleichzeitig mit dem Fahrbahnträger hergestellt. Die Arbeiten wurden von der renommierten französischen Firma Freyssinnet ausgeführt und begannen im Januar 1997.
Die markante Schrägseilbrücke mit ihrer Hauptöffnung von 420 m befindet sich dicht am westlichen Ufer des Tejo. Die Spannweiten der beiden Seitenfelder betragen jeweils 203 m. In östlicher Richtung schließt sich die Balkenbrücke mit 80 Öffnungen und Spannweiten von jeweils 78 m an. Von Lissabon aus gesehen verläuft die Trasse in einer leichten Rechtskurve in südöstlicher Richtung. In diesem Abschnitt befinden sich zwei weitere Schifffahrtsrinnen mit Durchfahrtshöhen von 30 m für kleinere Schiffe. Im flachen Bereich liegt der Träger ansonsten etwa 14 Meter über dem Wasserspiegel. Insgesamt verläuft die Fahrbahn auf einer Länge von ca. 10 km über dem Wasser.
Aus der Sicht eines Autofahrers. Die Brücke ist für Fußgänger und Radfahrer gesperrt. © Herrad Taubenheim |
Obwohl der Zeitplan durchaus ambitioniert war, konnte die Brücke nach einer reinen Bauzeit von 18 Monaten plus weitere 18 Monate für die Bauvorbereitungen vollendet werden. Wegen der bevorstehenden Weltausstellung hätten die Fristen auch nicht ohne weiteres verschoben werden können, wie es bei anderen Bauvorhaben Falls es nicht bemerkt wurde: dies ist eine Anspielung auf die Baugeschichte des Flughafens Berlin-Brandenburg. gelegentlich vorkommt.
Im Rahmen einer prunkvollen Zeremonie wurde die Vasco da Gama Brücke am 29. März 1998 Die EXPO 1998 wurde knapp zwei Monate später, am 22. Mai, eröffnet. vom portugiesischen Ministerpräsidenten Jorge Sampaio unter Anwesenheit zahlreicher internationaler Gäste für den Verkehr freigegeben. In seiner Festrede ging Sampaio besonders auf die europäische Dimension des Bauwerkes ein:
"Diese Brücke ist ein großes europäisches Projekt, auf das wir wahrlich stolz sind. Die feierliche Eröffnung symbolisiert den Geist, mit dem sich Portugal am Ende des Jahrtausends modernisiert".
Die Vasco da Gama Brücke ist aber keineswegs das Einzige, was von der Weltausstellung 1998 übriggeblieben ist. Im Gegensatz zu manch anderem EXPO-Gelände ist der 'Park der Nationen' auch heute noch belebt und durchaus einen Besuch wert. Das Motto der Ausstellung, die von über 10 Millionen Menschen besucht wurde, lautete "Die Ozeane: Ein Erbe für die Zukunft". Zu den interessantesten Relikten dieses Ereignisses gehören außer der Vasco da Gama Brücke auch die Seilbahn entlang des Tejoufers, das Ozeanarium, der Torre Vasco da Gama und der wunderbare Oriente-Bahnhof von Santiago Calatrava.
Die Schifffahrtsrinne wird offenbar nur wenig genutzt
© Bernd Nebel |
Nach einer Betriebszeit von über 20 Jahren ist die Vasco da Gama Brücke ein unverzichtbarer Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur Lissabons. Die Gebühr für die ca. 15-minütige Fahrt über die Brücke ist nur stadteinwärts zu entrichten und betrug im November 2020 für einen normalen PKW 6,25 €. Die aktuellen Mautgebühren, auch für andere Fahrzeugtypen, kann man auf der Homepage von LUSOPONTE abrufen (Link siehe unten).
Wie schon nach dem Bau des Ponte 25 de Abril währte die Freude über die Lösung der Verkehrsprobleme nur eine gewisse Zeit. Im Grunde genommen hatten die Überlegungen für eine dritte Tejo-Querung schon vor Vollendung der Vasco da Gama Brücke begonnen. Letztlich ist die Verwirklichung dieses Projektes bis heute aber an der finanziellen Situation Portugals gescheitert. Das bedeutet aber nicht, dass an der dritten Brücke nicht weiter geplant würde.
Nach derzeitigem Stand soll die dritte Tejo-Brücke etwa in der Mitte zwischen den beiden vorhandenen Brücken gebaut werden. Ihre Gesamtlänge wird ca. 13 km betragen. Es soll eine Kombination aus Straßen- und Eisenbahnbrücke werden, wobei die Eisenbahnlinie Teil einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Paris und Lissabon sein wird. Das Herzstück der Tejobrücke soll wiederum eine Schrägseilbrücke sein.
Nach derzeitigem Stand wird die dritte Tejo-Brücke nicht vor 2030 in Betrieb gehen können.
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