Scaligerbrücke

ital.: "Ponte Scaligero" oder "Ponte Castelvecchio"

Verona / Italien



Die Segmentbögen der Scaligerbrücke von Oberstrom aus gesehen.
Name: Scaligerbrücke
Ort: Verona
Land: Italien
Konstruktionstyp: Bogenbrücke
Material: gebrannte Ziegel / Kalkstein
Bauzeit: 1354 - 1356
Beteiligte Personen: Guglielmo Bevilacqua (?)
Verkehrsart: Fahrrad / Fußgänger
Gesamtlänge: 133 m
Größte Spannweite: 49 m
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Die norditalienische Stadt Verona ist heute vor allem durch ihre berühmten Opernfestspiele bekannt, die alljährlich im römischen Amphitheater aus dem 1. Jhd. stattfinden. Aber auch als Schauplatz von Shakespeares Drama "Romeo und Julia" erlangte die Stadt weltweite Berühmtheit.

Verona hat allerdings auch für Brückenfreunde einiges zu bieten, denn hier führen zwei historisch bedeutsame Brücken über die Adige (Etsch). Während der Ponte Pietra schon aus der Römerzeit stammt, ist die Scaligerbrücke ein typisches Bauwerk des Mittelalters.


Die Herrscherfamilie Della Scala


Der wirtschaftliche und politische Aufstieg Veronas begann im 11. Jahrhundert. Zu der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten kam der Tuchhandel hinzu, der durch die Lage an der Etsch begünstigt wurde. Die Scaliger gehörten schon damals zu den führenden Familien der Stadt, die es jedoch durch Geschick und Intrigen bald zur alleinigen Herrschaft über Verona brachten.

In der Zeit von 1260 bis 1387 waren die Scaliger eine der reichsten und einflussreichsten Familien Norditaliens. Im 14. Jhd. knüpfte man durch mehrere Eheschließungen mit dem Hause Wittelsbach auch enge Verbindungen nach Bayern. Italienisch heißt die Familie "della Scala" deren Wappen eine Leiter auf rotem Grund zeigt. Die Wittelsbacher Nachkommen nannten sich dementsprechend die "von der Leiter".

Die Stadt Verona und die umliegende Region waren das Kerngebiet ihres Einflussbereichs. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht gehörten aber auch Brescia, Lucca, Padua, Parma und das Gebiet rund um den Gardasee zu ihrem Herrschaftsgebiet. Noch heute zeugen zahlreiche, leicht zu erkennende Burgen in Norditalien von der großen Zeit der Scaliger. Als weithin sichtbares Zeichen ihrer Macht ließen sie nämlich alle ihre Bauwerke von markanten schwalbenschwanzförmigen Zinnen bekrönen.

Der Hauptwohnsitz der Familie blieb während der gesamten Herrschaftszeit aber Verona. Im Jahre 1354 befahl der Scaligerfürst Cangrande II (1332-1359) den Bau einer neuen Schutzburg am Ufer der Etsch. Das heute noch bestehende Castelvecchio (Alte Burg) wurde im Jahre 1375 fertig gestellt und beherbergt nun das bedeutendste Museum der Stadt.


Eine Brücke als Fluchtweg


Die Brüstungen haben erhöhte Podeste, von denen aus man auf den Fluss sehen kann.

Zweck der Gesamtanlage war es, im Falle von Aufständen oder kriegerischen Auseinandersetzungen der Scaligerfamilie den ungehinderten Fluchtweg über die Etsch sicherzustellen. Offenbar war es kein Zufall, dass Cangrande II diese Rückzugsmöglichkeit für notwendig hielt, denn er soll ein jähzorniger und launischer Herrscher gewesen sein. Zu diesem aufwändigen Plan gehörte natürlich auch eine Brücke über den Fluss. Cangrande ließ daher parallel zum Bau der Burg auch den Ponte Scaligero errichten.

Die Scaligerbrücke war also ursprünglich eine reine Wehrbrücke, keineswegs für den öffentlichen Verkehr bestimmt, sondern ausschließlich den Bedürfnissen der Adelsfamilie vorbehalten. Die Brüstungen der Brücke sind so hoch, dass man von der Fahrbahn aus nicht auf den Fluss oder die seitlichen Ufer sehen kann. Viel wichtiger war aber, dass man umgekehrt von außen nicht auf die Brücke sehen konnte und dadurch etwaige Fluchtpläne hätte vereiteln können.


Der Ponte Scaligero

Die Bogenbrücke wurde in der Zeit von 1354 bis 1356 erbaut. Sie besteht aus drei Segmentbögen mit Spannweiten von 24, 27 und 48,5 m, die zum Castel hin größer werden. Entsprechend neigt sich die Fahrbahn von der Burg zum gegenüberliegenden Ufer. In der Mitte des großen Bogens gibt es einen Hochpunkt, an dem die Längsneigung wechselt und zur Burg hin wieder abfällt.

Die Scaligerbrücke ist insgesamt 133 m lang aber - ihrer geringen Verkehrsbedeutung entsprechend - nur 7,55 Meter breit. Die beidseitigen Brüstungen und die Wehrtürme über den Pfeilern sind natürlich -ebenso wie die angrenzende Burg- mit den typischen Schwalbenschwanzzinnen verziert. Die Fundamente und die inneren Wandungen der Bögen bestehen aus weißen Kalksteinquadern, während alle anderen Teile der Brücke aus gebrannten Ziegelsteinen gemauert wurden. Die ansteigende Bogenfolge, das rote Mauerwerk und die typischen Zinnen machen diese Brücke zu einem pittoresken, unverwechselbaren Bauwerk des Mittelalters.

Auf ganzer Länge der Brücke verlaufen beidseitig erhöhte Podeste, von denen aus man zwischen den Zinnen hindurch auf den Fluss sehen kann. Die unterschiedlich großen Wehrtürme erlauben außerdem den Blick auf die Fundamente und die Seitenflanken der Brücke. Die beiden im Wasser stehenden Türme sind auf der flussaufwärts gelegenen Seite als Eis- und Wellenbrecher ausgebildet.


Der größte Segmentbogen der Welt

Der große Bogen war nach seiner Fertigstellung mit knapp 49 m Spannweite der größte Brückenbogen der Welt. Die Segmentbauweise war zu diesem Zeitpunkt in Europa noch eine sehr junge Entwicklung, die vor allem durch den Bau des Ponte Vecchio in Florenz ausgelöst wurde. Es ist nicht mit Sicherheit bekannt, welcher Baumeister die Skaligerbrücke ausgeführt hat. Möglicherweise hat Guglielmo Bevilacqua an dem Bau mitgewirkt. Allerdings wäre er bei Beginn der Bauarbeiten erst 20 Jahre alt gewesen. Ganz sicher wurde ihre Größe und Bauweise aber durch den nur wenige Jahre vorher in Florenz entstandenen Ponte Vecchio beeinflusst.

Cangrande II della Scala hatte selbst nicht mehr viel von seiner Schutzburg und der schönen Brücke. Die Anlage schützte ihn zwar vor Feinden von außen, aber nicht vor Gegenspielern in der eigenen Familie. Er wurde im Jahre 1359 von seinem Bruder Cansignorio eigenhändig ermordet. Nur 28 Jahre später war die Herrschaft der Scaliger endgültig vorbei und Verona wurde in den Machtbereich Mailands integriert.


Sinnlose Zerstörung im 2. Weltkrieg und Wiederaufbau

Die malerische Brücke lädt zum Verweilen ein

Außer für Fußgänger und Radfahrer hat die Brücke in den verkehrstechnischen Konzepten Veronas niemals eine wirkliche Rolle gespielt. Umso sinnloser erscheint es daher aus heutiger Sicht, dass die Brücke am 24.04.1945 von deutschen Soldaten auf dem Rückzug vor den Alliierten gesprengt wurde. Die Brücke wurde dabei fast vollständig zerstört, nur die Pfeiler blieben erhalten. Nicht besser erging es dem weiter stromabwärts gelegenen römischen Ponte Pietra.

Im Jahre 1949 begann man damit, das Material der zerstörten Scaligerbrücke aus der Etsch zu bergen und das Bauwerk Stück für Stück zu rekonstruieren. Zwei Jahre später konnte die Brücke in alter Schönheit wieder der Öffentlichkeit übergeben werden. Auch der Ponte Pietra wurde drei Jahre später mit dem geborgenen Material wieder aufgebaut.

Die beiden Brücken zählen heute zu den meistbesuchten Anziehungspunkten Veronas und im Gegensatz zu allen anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt, ist ihre Besichtigung völlig kostenlos.

Quellen: Interne Links:
  • David J. Brown: "Brücken - Kühne Konstruktionen über Flüsse, Täler, Meere"
  • Bernhard Graf: "Die schönsten Brücken der Welt"
  • Hans Straub: "Die Geschichte der Bauingenieurskunst"


www.bernd-nebel.de

© Dipl.Ing. Bernd Nebel