© Lothar Hentschel
Bereits die Etrusker gründeten um 800 v.Chr. eine Siedlung am Arno, aus der die heutige Stadt Florenz hervorging. Die Römer erweiterten die Ansiedlung zu einer Stadt wie sie für ihr Imperium typisch war, mit Amphitheater, Bädern und einem Forum. Sie gaben ihr auch den Namen der sich bis heute erhalten hat: Florentia, das heißt "die Blumige".
Im Zuge der Völkerwanderung wurde die Stadt fast vollständig zerstört aber im Mittelalter stieg sie unter Führung der berühmten Familie Medici zu einer der bedeutendsten Städte Europas auf. Insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert blühten in Florenz Bankwesen, Handel und vor allem auch die Künste und Wissenschaften. Die Medici holten die bekanntesten Maler, Steinmetze, Mathematiker und Physiker ihrer Zeit in die Stadt: Michelangelo, Dante, Filippo Brunelleschi, Giotto, Boccaccio, Galileo Galilei, Machiavelli, Donatello und Raffael sind nur die bekanntesten Persönlichkeiten, die während dieser Zeit in Florenz lebten und arbeiteten.
Bereits zu Zeiten der Römer und im frühen Mittelalter gab es erste Holzbrücken über den Arno, doch wurden alle diese Brücken immer wieder von den unberechenbaren Frühjahrshochwassern des Arno zerstört. Eine Brücke mit dem Namen "Ponte Vecchio" ist schon ab 1077 nachweisbar, doch wurde sie 1177 von den Fluten zerstört, ebenso wie ihr Nachfolger im Jahre 1333.
Der Arno in Grün. Die erste Brücke im Hintergrund ist der Ponte di Santa Trinita © Lutz Henrik Basch |
Besonders das Hochwasser im 14. Jahrhundert muss erhebliche Verwüstungen in der ganzen Stadt angerichtet haben, denn anschließend wurden aufwändige Schutzmaßnahmen in Angriff genommen. Unter anderem wurden die Ufer des Arno auf beiden Seiten mit hohen Mauern gesichert, durch die das Überfluten der tiefer liegenden Stadtteile verhindert werden sollte. Erst nach Abschluss dieser aufwändigen Arbeiten konnte im Jahre 1335 mit dem Wiederaufbau des Ponte Vecchio begonnen werden.
Die Planung und Ausführung der Brücke wird heute im Allgemeinen dem Maler und Baumeister Taddeo Gaddi (1290-1366) zugeschrieben, der seinerseits ein Schüler von Giotto di Bondone war. 1 Außer der Widerstandsfähigkeit gegen Hochwasser und Eisgang, sollte die Brücke mehr als doppelt so breit wie das Vorgängerbauwerk werden und verschiedenen Handwerkszünften die Möglichkeit geben, hier ihre Werkstätten und Geschäfte einzurichten. Handwerksbetriebe hatte es in geringerem Umfang bereis auf der eingestürzten Brücke gegeben. Sie hatten der Stadt in jedem Jahr ansehnliche Mieteinnahmen beschert, auf die man auch bei der neuen Brücke nicht verzichtet wollte.
Wenn wir uns der Mehrheit der Historiker anschließen und Taddeo Gaddi als Baumeister annehmen wollen, dann wäre die Brücke somit von einem Debütanten im Brückenfach gebaut worden, der vorher noch nie an einem Brückenbau beteiligt war und sich gleich an ein für die damalige Zeit revolutionäres Bauwerk heranwagte. Er plante die Brücke mit drei großen, sehr flachen Segmentbögen, die bei einer maximalen Spannweite von 30 m nur Pfeilhöhen von 3,90 - 4,40 m aufweisen. Auch die Römer hatten in Ausnahmefällen schon Segmentbögen gebaut und in Asien waren etwa 100 Jahre früher die ersten derartigen Brücken entstanden. Im Europa des ausklingenden Mittelalters waren die flachen Kreisabschnitte aber etwas völlig Neuartiges.
Die kleinen Geschäfte kragen seitlich weit über die Bögen hinaus und werden teilweise durch Streben unterstützt. Im Bild oben der (heller verputzte) Korridor von Vasari. © Inge Kanakaris-Wirtl |
Im Unterschied zum vollständigen Halbkreisbogen stellt die Verwendung des Segmentbogens wesentlich größere Anforderungen sowohl an die Fähigkeiten des Baumeisters, als auch an die Pfeiler, die Widerlager und den Baugrund. In einem Segmentbogen entstehen sehr große horizontale Schubkräfte, die über die seitlichen Widerlager in den Baugrund abgeleitet werden müssen. Die Horizontalkräfte treten natürlich auch an den Mittelpfeilern auf, wo sich die aus beiden Richtungen kommenden Kräftepaare aber neutralisieren. Der Vorteil des Segmentbogens ist seine geringe Höhe, wodurch der Verkehrsweg geringere Steigungen zu bewältigen hat, und im optimalen Fall horizontal über das Bauwerk geführt werden kann.
In Europa gab es vor dem Ponte Vecchio nur sehr wenige Segmentbogenbrücken. Eine davon war die Rhonebrücke bei Avignon, von der heute nur noch drei Bögen übrig sind und die in dem berühmten französischen Volkslied "Sur le pont d´Avignon" besungen wird. Allerdings sind deren Bögen bei weitem nicht so flach wie die des Ponte Vecchio. Die Brücke in Avignon wurde von 1177-1187 vom Orden der Brückenbauer um den heiligen Bénézet erbaut. Die legendären "Brückenbrüder" hielten ihre im 12. Jahrhundert exklusiven Kenntnisse um den Brückenbau geheim und nahmen dadurch für lange Zeit eine Art Monopolstellung ein.
Der Bau des Ponte Vecchio nahm ca. 10 Jahre in Anspruch und dauerte etwa von 1335 bis 1345. Nach seiner Fertigstellung dürfte er ein weit beachtetes Meisterwerk des Brückenbaus gewesen sein, vor allem wegen der eleganten flachen Bögen. Die Spannweiten der drei Bögen betragen 27 m - 30 m - 27 m, bei einer Gesamtbreite von 32 m. Die schon bei der Einweihung vorhandenen Läden und Werkstätten kragen teilweise wie kleine Balkone über den Rand der Brücke hinaus.
Cosimo I. de Medici wurde bereits im Alter von 17 Jahren Herzog der Toskana. Er nahm entscheidenden Einfluss auf das heutig Aussehen des Ponte Vecchio.
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Allerdings versperren die Häuserzeilen nicht durchgehend den Blick auf den Arno. In der Mitte der Brücke gab es ursprünglich auf beiden Seiten eine kleine Terasse mit freiem Blick auf das Wasser. Die insgesamt 44 Läden auf der Brücke eigneten sich besonders für Gewerbetreibende, für die es wichtig war, ständig frisches Wasser zur Verfügung zu haben oder für die der Fluss als einfache Abfallentsorgung diente. So ist es zu erklären, dass sich zunächst überwiegend Metzger und Gerber auf der Brücke ansiedelten und die Läden von der Stadtverwaltung mieteten.
Eine wesentliche Änderung im Erscheinungsbild der Brücke wurde im Jahre 1565 auf Anweisung von Großherzog Cosimo I. de Medici (1519-1575) ausgeführt. Er wollte seine beiden Herrenhäuser, Palazzo Pitti und Palazzo Vecchio, durch einen überdachten Wandelgang verbinden lassen, der ihn auf dem Weg zwischen seinen Refugien ebenso vor den Unbilden des Wetters schützen sollte, als auch vor neugierigen Blicken der einfachen Bürger. Da sich die beiden Paläste nicht auf dem gleichen Ufer des Arno befanden, musste der Gang über den Ponte Vecchio führen.
Mit den Arbeiten für den Korridor wurde Giorgio Vasari betraut, in kunstgeschichtlicher Hinsicht eine der schillerndsten Figuren des 16. Jahrhunderts. Er war zuvor schon als Maler und Bildhauer in Rom tätig gewesen und hatte in Florenz die Uffizien erbaut. 2 Vasaris Korridor führt über die Ladenzeile hinweg und verdoppelte dadurch die Gesamthöhe der Aufbauten. Weniger bekannt ist allerdings, dass der Gang sogar breit genug für eine 2-sitzige Kutsche ist. Es kann daher angenommen werden, dass der Korridor nicht zuletzt auch als Fluchtweg angelegt wurde.
Anstatt den notwendigen Platz für den Gang von den Verkehrsflächen oder den Läden abzuziehen, entschied sich Vasari dafür, den Korridor einfach über die Läden hinweg zu bauen. Zur Überbrückung der Terasse legte er einen Arkadenbogen mit drei Öffnungen an. Dadurch ist die Terasse mit freiem Blick auf den Arno heute nur noch auf der stromaufwärts gelegenen Brückenseite vorhanden. Auf diesem kleinen Platz steht nun die Büste von Benvenuto Cellini, der um das Jahr 1500 einer der berühmtesten Goldschmiede in Florenz war.
Auf der Nordseite des Arno verläuft der Gang nach einem rechtwinkligen Knick noch etwa 100m über gleichartige Arkadenbögen, bevor er in einer Häuserzeile verschwindet. Dieser Gang, die auskragenden Läden, die heute in verschiedenen Farbtönen angestrichen sind, und die anmutigen flachen Bögen sind die Hauptelemente des pittoresken Erscheinungsbildes der Brücke.
Blick von der Piazzale Michelangelo auf die Stadt. Im Bild rechts die Fortsetzung des Korridors von Vasari. © Bernd Nebel |
Der "Corridoio Vasariano" wurde offensichtlich auch rege von den Medici genutzt. Und das hatte Folgen. Beim Gang durch den Korridor bekam der Fürst nämlich eine ganze Menge von den üblen Gerüchen mit, die aus den Werkstätten nach oben drangen. Besonders die Schlachter, die ihre Abfälle einfach durch die Fenster in den Fluss warfen und die Gerber, die vorwiegend mit Pferdeurin arbeiteten, leisteten ihren Beitrag zu der schlechten Luft rund um die Brücke. Großherzog Ferdinando de Medici (1549-1609) reichte es schließlich: im Jahre 1593 zwang er die störenden Gewerbebetriebe per Dekret die Brücke zu verlassen und ließ von da an nur noch Goldschmiede auf der Brücke zu. Das ist bis heute so geblieben, denn noch immer sind die Läden vor allem an Juweliere und Schmuckhändler vermietet. Besonders humorvolle Touristenführer bezeichnen die Brücke daher gerne als "den Himmel für die Frauen und die Hölle für die Männer".
Für die Entwicklung des Brückenbaus brachte der Ponte Vecchio einen echten Erfahrungsschub, denn durch diese mutige Brücke verbreitete sich der Bau von Segmentbogenbrücken -vor allem in Italien- nun sprunghaft. Bereits elf Jahre nach ihrer Fertigstellung ließen die Scaliger in Verona die Skaligerbrücke errichten, deren größter Bogen eine Spannweite von fast 50 m hat. Weitere 15 Jahre später (1371) wurde in Trezzo sogar eine 72 m weit gespannte Segmentbogenbrücke über die Adda fertig gestellt, die jedoch bereits 1416 wieder zerstört wurde.
Die Schäden durch das Hochwasser vom November 1966 © Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Max-Planck-Institut |
Natürlich gab es in Florenz auch nach dem Bau des Ponte Vecchio immer wieder mehr oder weniger dramatische Hochwasser. Aber im Gegensatz zu den früheren Brücken hat der Ponte Vecchio bisher alle Unbilden der Natur nahezu unbeschadet überstanden. Das letzte katastrophale Hochwasser ereignete sich im November 1966. Bei seinem Höchststand in den Morgenstunden des 4. November war der Arno so stark angeschwollen, dass große Teile der Florenzer Altstadt unter Wasser standen. Dabei wurden in den Kirchen, Museen und Palästen unzählige Exponate dieser an Kunstschätzen so reichen Stadt zerstört oder schwer beschädigt. Der Wasserspiegel des Arno stieg so stark an, dass die Fluten meterhoch über die Brückenfahrbahn hinwegströmten und die Juwelierläden fast vollständig zerstörten. Auch das Brückengeländer und einige der auskragenden Läden wurden von den Wassermassen mitgerissen. Die Widerlager und Pfeiler sowie die statische Substanz der Brücke aber blieben unversehrt. Nach den Aufräumarbeiten wurde die Brücke saniert und eilig wieder in den historischen Zustand versetzt. 3
Aber noch eine weitere dramatische Situation hatte der Ponte Vecchio im vorigen Jahrhundert zu überstehen: Im Frühjahr 1944 hatten die auf dem Rückzug befindlichen deutschen Soldaten alle Brücken über den Arno vermint und zur Sprengung vorbereitet. Tatsächlich wurden in den nächsten Tagen auch alle Brücken der Stadt, außer dem Ponte Vecchio, gesprengt. Unter den sinnlos zerstörten Bauwerken war auch der Ponte di Santa Trinita aus dem Jahre 1567. Die in unmittelbarer Nähe zum Ponte Vecchio stehende Brücke ist ebenfalls ein historisch bedeutsames Bauwerk mit den ersten Korbbögen Europas. Sie wurde nach Beendigung des Krieges wieder originalgetreu aufgebaut. Wer für die Entscheidung verantwortlich war, den Ponte Vecchio nicht zu sprengen, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Jedenfalls begnügten sich die deutschen Truppen damit, aus allerlei Trümmern und Schutt Barrieren vor den Brückenköpfen des Ponte Vecchio zu errichten.
Sonnenaufgang über dem Arno © Dario Bogenreiter |
Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die touristische Bedeutung der Toskana und ihrer Hauptstadt Florenz stetig zu. Nach offiziellen Schätzungen wird Florenz heute in jedem Jahr von mehr als 4 Millionen Touristen besucht. Damit gehört sie zu den Top 50 Touristenmagneten der Welt. Ohne Zweifel leistet der malerische Ponte Vecchio einen erheblichen Beitrag zu diesem immer noch anhaltenden Trend. Die meisten Besucher der Stadt lassen es sich nicht nehmen, einen Spaziergang über die berühmte Brücke zu unternehmen und entsprechend voll ist es meistens auch zwischen den Geschäften.
Wegen seines romantischen Erscheinungsbildes war der Ponte Vecchio zu allen Zeiten auch ein beliebter Treffpunkt für frisch Verliebte, die sich auch heute noch von der besonderen Atmosphäre auf der Brücke verzaubern lassen. So scheint es durchaus möglich zu sein, dass der europaweite Trend der "Liebesschlösser" hier seinen Ursprung nahm.
1 Andere Quellen nennen allerdings auch Neri di Fioravante als Baumeister des Ponte Vecchio.
2 Mehr Fotos des Jahrhunderthochwassers von 1966 und seinen verheerenden Auswirkungen auf die Kunstschätze der Stadt, finden Sie auf den Internetseiten des Kunsthistorischen Instituts in Florenz .
3 Vasaris Name ging aber auch deshalb in die Kunstgeschichte ein, weil er herausfand, wer Leonardo da Vinci auf seinem berühmten Werk "Mona Lisa" Modell gestanden hatte .