© Bernd Nebel
Die Hafenstadt Porto bildet gemeinsam mit Vila Nova de Gaia am gegenüberliegenden Flussufer den zweitgrößten zusammenhängenden Siedlungsraum Portugals, nach der Hauptstadt Lissabon. Das vom Atlantik geprägte Klima lässt hier an den Ufern des Duero (portugiesisch: 'Douro') besondere Traubensorten gedeihen, welche die Stadt für den 'Portwein' berühmt gemacht haben. Der Duero ist mit seinen knapp 900 km einer der längsten Flüsse der iberischen Halbinsel und mündet etwa 5 km westlich des Stadtzentrums in den Atlantik. Im Bereich der Ribeira (Altstadt) und der zahlreichen Bodegas hat er recht steile Ufer und eine Breite von ca. 200 m.
Die Umgebung des Duero war schon während der Eisenzeit besiedelt und es gab schon in früher Zeit einen regen Fähr- und Schiffsverkehr über den Fluss. Im Jahr 1806 soll zum ersten Mal eine Schiffsbrücke installiert worden sein, die jedoch bereits im Laufe der napoleonischen Kriege (1809) bei einer Massenflucht der Bevölkerung über den Duero zusammenbrach. Dabei soll es hunderte Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gegeben haben.
Am Standort der heutigen Brücke Ponte Luiz I errichtete 1843 das französische Unternehmen Claranges Lucotte eine Hängebrücke für den Straßenverkehr. Die Brücke hatte eine Spannweite von ca. 170 m und wurde von acht Drahtkabeln gehalten. Maßgeblich an den Bauarbeiten beteiligt war der französische Ingenieur Stanislaus Bigot. Die Brücke hieß offiziell "Ponte D. Maria II", wurde im Volksmund aber meistens einfach "Ponte Pênsil" (Hängebrücke) genannt. Ein Nachteil dieser Brücke war ihre niedrige Lage über dem Fluss, sodass sich alle Verkehrsteilnehmer aus den höher gelegenen Stadtteilen zuerst die steilen Ufer des Duero hinunter und auf der anderen Seite wieder mühsam hinauf quälen mussten.
"Ponte Pênsil" (die Hängebrücke) aus dem Jahr 1843 wurde von der Ponte Luiz I ersetzt. Von ihr sind heute nur noch ein paar Überreste zu sehen. |
Um 1875 entschloss sich die portugiesische Eisenbahngesellschaft etwa einen Kilometer oberhalb der Hängebrücke eine einspurige Eisenbahnlinie über das Tal zu schlagen. Ohne dieses Bauwerk, das die Schienen in großer Höhe über den Duero führen sollte, hätte die Trasse einen Umweg von 12 km machen müssen. Aus dem internationalen Wettbewerb ging ein Vorschlag der Stahlbaufirma Gustave Eiffels mit einem parabelförmigen Bogen als Sieger hervor, dessen Entwurf aber von Eiffels talentiertem Konstrukteur Théopile Seyrig stammte.
Seyrig war ein in Berlin geborener belgischer Ingenieur, der bereits seit der Firmengründung Eiffels Partner war. Der Preisunterschied zu den anderen Angeboten war so groß, dass man den Entwurf vor der Auftragsvergabe sicherheitshalber noch einmal von einer unabhängigen Kommission überprüfen lies. Eiffel konnte einen so günstigen Preis anbieten, weil er in seiner Kalkulation davon ausging, dass alle Bauteile in seinem Werk in Levallois bei Paris baureif hergestellt werden würden. Nach einem feststehenden Zeitplan wurden die millimetergenau vorgefertigten Bauteile (einschließlich aller Nietlöcher) per Schiff nach Porto transportiert und "just-in-time" eingebaut. Nach den Kalkulationen seiner Konkurrenten waren viele Arbeitsschritte auf der Baustelle zu verrichten. Das bedeutet: in großer Höhe, mit Hilfe von Gerüsten, unter beengten Verhältnissen und den jeweiligen Wetterbedingungen ausgesetzt. Eine solche Produktionsweise ist natürlich wesentlich schwieriger, zeitraubender und gefährlicher, als die Arbeit in einer trockenen und beheizten Werkstatt. Diese hochmoderne und für Eiffel typische Produktions- und Konstruktionsweise, brachte den entscheidenden Kostenvorteil.
Die Ponte Maria Pia wurde am 4. November 1877 von König Luiz I und Königin Maria Pia - deren Namen sie erhielt - eingeweiht. Die Brücke war im Betrieb starken Vibrationen unterworfen, die zwar ungefährlich waren, bei manchen Fahrgästen aber offenbar heftige Angstzustände auslösten. Nach dem Bau einer modernen Stahlbetonbrücke wurde die Ponte Maria Pia 1991 von der Eisenbahngesellschaft außer Betrieb genommen. Acht Jahre später wurde sie von der Amerikanischen Vereinigung der Bauingenieure in die Liste der "International Historic Civil Engeneering Landmarks" aufgenommen. Diese Ehre beinhaltet für den Eigentümer natürlich auch die Verpflichtung, das Bauwerk zu pflegen und in einem guten Zustand zu erhalten.
Die Eisenbahnbrücke Ponte Maria Pia überspannt den Duero etwa 1 km oberhalb der Ponte Luiz I. Bis auf die fehlende untere Fahrbahn besitzt sie durchaus Ähnlichkeit mit der Straßenbrücke. © Bernd Nebel |
Insofern ist die Ponte Maria Pia ein durchaus kostspieliges Erbe für die Eisenbahngesellschaft und die Stadt Porto, denn selbst im derzeitigen ungenutzten Zustand kann ein 150 Jahre altes Stahlbauwerk, das aus Tausenden von einzelnen Bauteilen und Millionen von Nieten besteht und noch dazu mitten in einer historischen Stadt gelegen ist, jährlich eine große Summe für Unterhaltungskosten verschlingen. Unter dem Bauwerk befinden sich Straßen, Wohnhäuser und der von vielen Wasserfahrzeugen frequentierte Fluss, sodass die ganze Konstruktion ständig hinsichtlich loser Teile überprüft werden muss.
Im Jahr 2009 fand eine größere Sanierungsmaßnahme statt, um wenigstens den Status Quo vorerst zu sichern. Die Stadt Porto und die Eisenbahngesellschaft scheinen sich aber bisher nicht über die weitere Verwendung des historischen Bauwerkes einig zu sein. Angedacht war die Nutzung als Rad- und Gehweg, was bisher jedoch nicht in die Tat umgesetzt wurde. Besonders die Ähnlichkeit mit der Ponte Luiz I und die größere Entfernung zu den Haupttouristenströmen Portos erweisen sich als entscheidende Nachteile. Für die meisten Besucher der Stadt ist der Bedarf an Stahlbogenbrücken mit der Besichtigung der Ponte Luiz I wohl ausreichend gedeckt. Deshalb verirren sich leider nur wenig Insider und echte Brückenfans noch bis zur Ponte Maria Pia. Es bleibt also abzuwarten, wie die Stadt Porto zukünftig mit diesem schwierigen Teil ihres kulturellen Erbes umgehen wird.
Während des Baus der Maria Pia Brücke war es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Gustave Eiffel und seinem langjährigen Kompagnon Théophile Seyrig gekommen. Unmittelbar nach dem Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1879 beendete Seyrig die Zusammenarbeit und schied aus der Firma aus. Er fand aber umgehend wieder eine lukrative Anstellung bei dem belgischen Unternehmen Société de Willebroeck. Der Zufall wollte es, dass sich die ehemaligen Geschäftspartner schon bald beim Wettbewerb um den Bau einer weiteren großen Stahlbrücke in Porto als Konkurrenten gegenüber stehen sollten.
Théophile Seyrig
François Gustave Théophile Seyrig wurde am 19. Februar 1843 in Berlin geboren. Er war belgischer Staatsbürger und studierte an der 'École Central des Arts et Manufactures'. 1869, im Alter von 26 Jahren, gründete er gemeinsam mit Gustave Eiffel das Unternehmen Eiffel et Cie. Er wurde zu Eiffels wichtigstem Mitarbeiter und bestem Stahlbaukonstrukteur. Neben anderen Eisenbauwerken war er auch an vielen Brücken beteiligt, darunter der Neuvial Viadukt (1868) und der Viadukt von Rouzat (1869). 1875 entwarf er den parabelförmigen Bogen der Ponte Maria Pia, der später vielen Ingenieuren als Vorbild für Stahlbrücken dienen sollte. Wegen Meinungsverschiedenheiten beim Maria-Pia-Projekt, bzw. im Vorfeld der Bauarbeiten zum Garabit-Viadukt im französischen Zentralmassiv, schied Seyrig 1879 aus der Firma Eiffels aus. Er fand umgehend eine neue Anstellung bei der belgischen Firma Willebroeck und konstruierte gleich als ersten Auftrag die Ponte Luiz I. Seyrig war vor allem Konstrukteur, der vorwiegend an seinem Zeichentisch arbeitete, während die Leitung der Bauarbeiten in der Regel von anderen Ingenieuren ausgeführt wurde. Angeblich soll er während des Baus der Maria Pia Brücke kein einziges Mal in Porto gewesen sein. Théophile Seyrig starb am 5. Juli 1923. Er wurde 80 Jahre alt. |
Der Bedarf für den Schienenverkehr war durch die Maria Pia Brücke gerade befriedigt worden, als der Wunsch nach einer leistungsfähigeren Brücke für den Straßenverkehr laut wurde. Es gab gleich mehrere Gründe, die knapp 40 Jahre alte Hängebrücke in der Altstadt durch ein moderneres Bauwerk zu ersetzen:
Im Februar 1879 beschloss die portugiesische Regierung einen internationalen Wettbewerb für eine große Stahlbrücke mit zwei Fahrbahnebenen für den Straßenverkehr auszuschreiben. Abgesehen von den ersten Fahrrädern bestand der Straßenverkehr zu dieser Zeit aber fast ausschließlich aus Reitern, Postkutschen und Fuhrwerken, die von Lasttieren, also Pferden, Eseln und Ochsen gezogen wurden. Der Startschuss für den Siegeszug des Automobils fiel erst sieben Jahre später, mit der Erfindung des "Benz Patent-Motorwagens Nummer 1". Bis zu einem nennenswerten 'Automobilverkehr' sollte es aber in Porto noch viel länger dauern.
An dem Wettbewerb für den lukrativen Großauftrag beteiligten sich zehn der renommiertesten Stahlbaufirmen Europas, darunter alle großen Unternehmen Frankreichs, zwei englische, zwei belgische und eine holländische Firma. Unter den Kontrahenten war natürlich auch die Firma Gustave Eiffels aber auch die belgische Willebroeck mit ihrem neuen Konstrukteur Thêophile Seyrig. Eiffel galt allgemein als Favorit, denn er hatte in Porto bereits einmal erstklassige Arbeit abgeliefert und verfügte auch über entsprechende Ortskenntnisse. Außerdem hatte er nach Vollendung der Ponte Maria Pia bereits den Auftrag für den Garabit-Viadukt in der Tasche, der ihm aufgrund seines Renommees als Brückenbauer ohne Ausschreibung erteilt worden war. In Porto erhielt aber der Entwurf von Seyrig den Zuschlag, obwohl er einen der teuersten Vorschläge eingereicht hatte. Ausschlaggebend waren dabei vor allem gestalterische Gründe, denn Seyrigs Entwurf wirkte ebenso elegant wie vertrauenerweckend und fügte sich am besten in die Landschaft des Duero und der historischen Altstadt ein.
Die Bauarbeiten begannen im Frühjahr 1881 mit dem Freimachen des Baufeldes. Dafür mussten auf der nördlichen Flussseite einige Häuser abgerissen werden um Platz für die Fundamente zu schaffen. Die Bauarbeiten der Fa. Willebroeck liefen ähnlich gut organisiert ab, wie einige Jahre zuvor durch Eiffel&Cie bei der Ponte Maria Pia.
Der Bogen der Ponte Luiz I wird im freien Vorbau montiert. Bis zu ihrer Verbindung werden die Bogenenden durch ein System von Stahlseilen vom Obergurt aus gesichert. Im Vordergrund ist noch die Ponte Pênsil in Betrieb. |
Die Montage des Bogens erfolgte im freien Vorbau, wobei der schon montierte Teil des Bogens mit Hilfe von Stahlseilen am oberen Gurt fixiert wurde. Im Mai 1886 fanden die ersten Belastungsproben statt und im Oktober des gleichen Jahres wurde die obere Fahrbahn von König Ludwig I von Portugal (Dom Luiz I) eingeweiht. Auf die Menschen dieser Zeit wirkte die neue Brücke wie ein wahres Wunderwerk der Technik. Bei Dunkelheit wurden die beiden Fahrbahnebenen durch künstlerisch gestaltete Gaslampen hell erleuchtet, was auch nachts für einen beeindruckenden Anblick sorgte.
Erst zwei Jahre später konnte auch die untere Fahrbahn dem Verkehr übergeben werden. Anschließend wurde die alte Hängebrücke abgebrochen. Von ihr sind heute nur noch auf der nördlichen Uferseite ein paar Überreste vorhanden. Direkt neben der Zufahrt auf die neue Brücke stehen noch die beiden etwa 18 m hohen Steinpylonen, davor auf der Flussseite das ehemalige Auflager für die Fahrbahn der Hängebrücke. Letzteres dient heute einer Bar als Terrasse und bietet den Gästen einen herrlichen Blick auf den Duero und die Stahlbogenbrücke.
Die Ponte Luiz I hat eine Gesamtlänge von 385 m und besteht aus über 3.000 Tonnen Stahl. Der Bogen selbst hat eine Spannweite von 172 m. Bei seiner Vollendung war er damit der größte Stahlbogen der Welt. Die untere Fahrbahn verläuft in einer Höhe von 10 m über dem Wasserspiegel, während der obere Verkehrsweg in ca. 45 m Höhe über den Duero führt.
Blick von Vila Nova de Gaia auf Porto. Ganz oben der ehemalige Bischofspalast (Paço Episcopal do Porto) © Werner Frensch |
Heute verfügen beide Verkehrsebenen auch über seitliche Gehwege, wobei die unteren allerdings sehr schmal sind. In Anbetracht des beachtlichen Autoverkehrs auf der Brücke ist es daher nicht unbedingt ein Vergnügen, hier entlang zu gehen. Ganz anders auf dem oberen Brückendeck, von dem die Fußgänger, abgetrennt von den beiden Fahrspuren der Metro, eine herrliche Aussicht auf den Fluss, die Ribeira und die Altstadt genießen können.
Bis 1944 war die Benutzung der Ponte Luiz I für alle Verkehrsteilnehmer gebührenpflichtig. Auf dem oberen Fahrbahnträger wurden 1905 erstmalig Schienen verlegt. Die Einbeziehung in das Metronetz der Stadt erfolgte nach einer weiteren Umgestaltung im Jahr 2005. Grundhafte Sanierungen wurden 1956 und 2013 durchgeführt. Mit zunehmendem Alter der Brücke dürften sich die Abstände der notwendigen Überholungen jedoch verkürzen.
Im Jahr 1996 wurde das Gesamtensemble rund um die Ufer des Duero, bestehend aus dem Hafen, den Bodegas, der Ribeira und der Ponte Luiz I zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Seitdem genießt die Brücke auch ganz offiziellen Schutz als historisches Technik-Denkmal. Sie ist aber deshalb noch lange kein Museumsstück, sondern - ganz im Gegenteil - ein höchst lebendiger und unverzichtbarer Teil von Portos Verkehrsinfrastruktur.