Die Brücke über die Straße von Messina

Messina - Villa S.Giovanni / Italien




© Stretto di Messina S.p.A.



Name: Ponte di Messina
Ort: Messina - Villa S. Giovanni
Land: Italien
Konstruktionstyp: Hängebrücke
Geplanter Baubeginn: ???
Geplante Fertigstellung: ???
Baukonsortium Stretto di Messina SpA
Verkehrsart: Straße und Schiene
Material: Spannbeton / Stahl
Größte Spannweite: 3.300 Meter
Höhe über dem Wasser: 65 Meter
Nach dem Willen von Silvio Berlusconi sollte die mit Abstand größte Brücke der Welt eigentlich schon 2012 betriebsbereit sein und zu einer Stärkung des Wirtschaftsraumes Sizilien-Kalabrien beitragen. Inzwischen ist es allerdings mehr als fraglich, ob sie wirklich jemals gebaut wird.

Die "Ponte di Messina" soll die Stiefelspitze Italiens mit der Insel Sizilien verbinden und in vielerlei Hinsicht alle bisher bestehenden Brücken weit in den Schatten stellen. Dabei war die Idee für eine Brücke über die Straße von Messina aber keineswegs neu. Schon die Römer versuchten während der punischen Kriege eine Schiffsbrücke von Sizilien nach Kalabrien zu schlagen, scheiterten aber an der starken Strömung.

Schon viele Brückenkonstrukteure aus der ganzen Welt, wie z.B. David B. Steinman, machten sich Gedanken über die Möglichkeiten für den Bau dieser Brücke. Im Jahre 1967 wurde ein internationaler Ideenwettbewerb ausgeschrieben, den der deutsche Ingenieur Fritz Leonhardt mit dem Entwurf einer für die damalige Zeit sensationellen 1.800 m langen Hängebrücke gewann. Aus Kostengründen, und wegen der ungeklärten technischen Probleme im Falle eines Erdbebens, wurden die Pläne aber nie verwirklicht.


Tunnel oder Brücke?

Dennoch hatten die meisten der häufig wechselnden Staatsregierungen Italiens seit 1971 den Bau der Brücke in ihrem Programm. In den 1980er Jahren machte man sich auch Gedanken über einen Tunnel als Alternative, entschied sich aber wegen des großen Risikos im Falle eines Erdbebens endgültig für eine Brücke. Von Anfang an gab es aber auch viele Kritiker für das Vorhaben, die das Projekt teilweise als "Größenwahn" oder "Gigantismus" ablehnten. Aber auch Naturschützer und Ökonomen machten frühzeitig ihre Bedenken geltend. Dabei ging es meist um die Kosten, aber auch um die technischen Schwierigkeiten, eine so große Brücke in einem erdbebengefährdeten Gebiet zu bauen.
Die Straße von Messina heute

Die neueren Pläne sehen eine Hängebrücke mit einer Hauptspannweite von 3.300 Metern vor, was selbst die im Jahre 1998 in Japan fertiggestellte Akashi Kaikyo Brücke in den Schatten gestellt hätte. Sie ist mit ihrer freien Mittelöffnung von 1.991 Metern noch immer die größte Brücke der Welt. Im Vergleich zur zweitgrößten Brücke, der Store Baelt Brücke in Dänemark, sollte die Spannweite der Messinabrücke sogar mehr als doppelt so groß sein.


Risiken und Nebenwirkungen

Der Bau der Brücke wäre tatsächlich nicht ohne Risiko, denn die Meeresstraße von Messina liegt im Zentrum einer stark erdbebengefährdeten Region. Weil genau an dieser Stelle zwei Kontinentalplatten auseinanderdriften, kam es hier schon zu folgenreichen Erdstößen. Zum Beispiel ereignete sich im Jahre 1908 ein Erdbeben der Stärke 7,1 auf der Richterskala, bei dem über 40.000 Menschen starben. Angeblich soll die geplante Brücke ein Beben dieser Stärke unbeschadet überstehen können.

Zur Gründung der Pylone sind auf sizilianischer Seite zwei kreisförmige Fundamente mit 55 m Durchmesser erforderlich, während auf kalabrischer Seite 2 x 48 m ausreichen. Die Pylone sollen eine Höhe von 382,60 Metern haben und damit sogar höher werden als der Eiffelturm. Der ursprüngliche Entwurf, der für die Schifffahrt eine lichte Durchfahrtshöhe von über 70 Metern vorsah, wurde aus Kostengründen so verändert, dass die lichte Höhe nur noch 65 Meter beträgt. Dadurch können die Auffahrrampen deutlich verkürzt werden. Die Durchfahrtshöhe wäre nun zwar für die "Queen Mary II" zu niedrig, soll aber für jeden derzeit im Dienst stehenden Flugzeugträger ausreichend sein.

Auch in finanzieller Hinsicht wäre der Bau der Brücke ein großes Wagnis, denn die gewaltigen Baukosten sollen größtenteils durch Mauteinnahmen refinanziert werden. Kritiker des Projektes halten die dafür prognostizierten Verkehrszahlen für viel zu optimistisch.

Der rege Fährverkehr ist selbst
aus dem Weltraum deutlich zu erkennen

Besonderheiten der Brücke

Das Tragwerk der Brücke soll eine Breite von gut 60 m erhalten und an insgesamt vier Stahlkabeln mit jeweils 1,24 Metern Durchmesser aufgehängt werden. Die vorgesehenen sechs Fahrspuren und zwei Standstreifen sind für eine Leistungsfähigkeit von bis zu 6.000 Fahrzeugen pro Stunde ausgelegt. Um ein möglichst günstiges aerodynamisches Verhalten der Brücke zu gewährleisten, greifen die Ingenieure zu einem recht ungewöhnlichen Mittel: bei der Stretto die Messina sollen die Richtungsfahrbahnen vertauscht werden, allerdings ohne sich vom Rechtsverkehr zu verabschieden. Alle Fahrzeuge sollen in Fahrtrichtung gesehen auf dem linken Brückenträger fahren. Bei gleichzeitigem Rechtsverkehr würde dies dazu führen, dass die größten Belastungen -insbesondere aus dem Schwerlastverkehr- in Längsrichtung gesehen innen auftreten würden. Die Techniker versprechen sich davon geringere Torsionsspannungen im Tragwerk und somit insgesamt eine größere Stabilität.

Die Brücke ist aber keineswegs nur für den Straßenverkehr konzipiert, sondern soll auch zwei Gleise für die Eisenbahn erhalten. Die Konstruktion ist u.a. auch für den Hochgeschwindigkeitszug "Eurostar" ausgelegt. Die Eisenbahntrasse soll sich in der Mitte des Trägers zwischen den Richtungsfahrbahnen befinden. Insgesamt sollen bis zu 200 Züge täglich die Brücke überqueren.

In der ganzen Welt hatte man die Nutzung von Hängebrücken für die Eisenbahn über viele Jahrzehnte vermieden, weil die dynamischen Lasten eines Zuges für eine "weiche" Konstruktion wie eine Hängebrücke problematisch sind. Bei der Store Baelt Brücke in Dänemark hatte man die beiden Verkehrsarten noch ganz bewusst voneinander getrennt und mit großem Kostenaufwand direkt neben der Brücke zusätzlich einen Tunnel für die Eisenbahn angelegt.

Die Aufteilung des Tragwerks auf die verschiedenen Verkehrsarten
© Stretto di Messina S.p.A.

Die Brückenbaugesellschaft "Stretto di Messina"

Speziell für dieses Projekt wurde die Brückenbau- und Betreibergesellschaft "Stretto di Messina S.p.A." gegründet. Ihr gehören neben den Provinzregierungen von Sizilien und Kalabrien auch das Straßenbauamt (ANAS) und die Italienische Staatsbahn an. Stretto di Messina S.p.A. sollte die Brücke nicht nur bauen, sondern auch für die ersten 30 Betriebsjahre die Konzession zur Vereinnahmung der Mautgebühren erhalten. Auf längere Sicht war eine Privatisierung der Betreibergesellschaft vorgesehen und sogar über einen späteren Börsengang wurde nachgedacht.

Die Höhe der Maut wurde auf ca. 15 € für einen normalen PKW und 50 € für LKW geschätzt, sollte aber anhand der tatsächlichen Baukosten und der Entwicklung der Verkehrszahlen noch einmal überprüft werden. Die geschätzten Baukosten von ca. 6 Milliarden Euro sollten zu 60% aus internationalen Kapitalmarktanleihen gedeckt werden, den Rest sollte die Betreibergesellschaft aufbringen.

Die Planungen waren so weit vorangeschritten, dass die Brücke eigentlich schon ab 2012 für den Schienen- und Straßenverkehr zur Verfügung stehen sollte, um dann die ca. 400 täglichen Fährbewegungen zwischen Messina (Sizilien) und Villa S. Giovanni (Kalabrien) zu ersetzen. Lange Zeit schien es so, als ob nur noch der endgültige Name für das Bauwerk fehlen würde. Bisher wird immer noch die Projektbezeichnung "Ponte di Messina" verwendet, doch die Betreibergesellschaft sucht nach einem klangvolleren Namen.


Das vorläufige "Aus" für das Projekt
Diese Grafik zeigt die aufgelöste Struktur des Tragwerks,
die dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche bieten soll

© Stretto di Messina S.p.A.

Ein leidenschaftlicher Befürworter für den gigantischen Brückenbau war der mehrfache Ministerpräsident Silvio Berlusconi, dessen Hang zu "großen Taten" ja hinreichend bekannt ist. Schon zu Beginn seiner dritten Amtszeit wollte er mit seinem damaligen Verkehrsminister Pietro Lunardi Nägel mit Köpfen machen und gab den politischen Startschuss für das Jahrhundertbauwerk. Obwohl die Finanzierung keineswegs gesichert war, strebte Berlusconi damals den Baubeginn für das Jahr 2006 an, und die Fertigstellung schon für 2012. Als Argument für die finanziellen Anstrengungen führte er ins Feld, man erwarte sich von dieser Brücke für den gesamten unterentwickelten Süden eine Art ökonomische Initialzündung.

Doch nach Neuwahlen im Mai 2006 trat Romano Prodi zu seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident an und entzog dem Projekt sofort jegliche Unterstützung. Er ließ verkünden, der Bau der Brücke sei das "schädlichste Projekt" für Italien und werde von seiner Regierung nicht weiter finanziert. Als Berlusconi im Mai 2008 zum vierten Mal als Ministerpräsident vereidigt wurde, ließ er die Planungen wieder aufleben. Im Dezember 2009 ließ die Regierung sogar den offiziellen Baubeginn verkünden, der aber offenbar mit keinen direkten Bauaktivitäten verbunden war.

Im Herbst 2011 hat Silvio Berlusconi den Quirinalspalast vermutlich zum letzten Mal geräumt. Mit ihm ging zweifellos einer der größten -und vielleicht auch der letzte- Befürworter der Brücke von Messina. In Anbetracht der desolaten Haushaltssituation Italiens und der gewaltigen Sparanstrengungen in ganz Europa, dürfte das Projekt nun für unabsehbare Zeit verschoben sein. Die ungewisse Zukunft des Mammutprojektes drückt sich auch darin aus, dass die offizielle Homepage von Stretto di Messina S.p.A. nun offenbar abgeschaltet wurde.


Haben sie noch mehr Informationen zu dieser Brücke? Oder sind sie im Besitz weiterer Fotos, die sie für dieses Internetangebot zur Verfügung stellen würden? Dann senden sie mir eine Mail:





© Dipl.Ing. Bernd Nebel