Die Brückeneinstürze im Jahre 1784

Die Folgen einer Naturkatastrophe


"Das Hochwasser von 1784 in Köln"

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte des Brückenbaus stößt man früher oder später auf eine ungewöhnlich hohe Zahl von Brückeneinstürzen bzw. erheblichen Brückenbeschädigungen im Jahr 1784. Bei näherer Betrachtung konzentrieren sich diese in ganz Nordeuropa anzutreffenden Ereignisse auf den Zeitraum vom 26. Februar bis zum 1. März 1784. Wie konnte es zu einer solch merkwürdigen Anhäufung von zerstörten und beschädigten Brücken kommen?

Die Ursachen der Ereignisse vom Februar 1784 beginnen bereits etwa ein Jahr vorher, mit einer Reihe von geophysikalischen Aktivitäten der Erde. Diese reichten von Europa bis nach Asien und waren so heftig, dass sie in den folgenden Monaten und Jahren das Klima auf der ganzen Welt spürbar beeinflussten.


Vulkanausbrüche leiten eine mehrjährige Klimaänderung ein

Die Aktivitäten der Erdkruste begannen am 5. Februar 1783 mit einer Serie heftiger Erdstöße in Kalabrien, deren Epizentrum etwa im Bereich der Straße von Messina lag. Besonders betroffen waren die Stadt Messina, sowie Sizilien und Kalabrien. Am folgenden Tag ereignete sich ein Nachbeben und in den darauf folgenden beiden Monaten weitere kleine Erdstöße an der Westküste Italiens. Insgesamt wurden 181 Ortschaften zerstört, wobei über 30.000 Menschen ihr Leben verloren.

Etwa drei Monate später begann in Island eine Serie ungewöhnlich heftiger Vulkanaktivitäten, die zu drastischen Änderungen der Lebensumstände auf der Insel führten. Die Ausbrüche begannen im Mai 1783 mit dem Eldeyjar und endeten erst im Februar 1784. Ihren Höhepunkt fanden die Eruptionen am 8. Juni 1783 mit der Öffnung der so genannten Laki-Spalte im Süden der Insel, die in den nächsten Monaten etwa 130 Vulkane freigab. Bei den darauf folgenden Eruptionen handelte es sich um die heftigsten, jemals auf Island verzeichneten Vulkanaktivitäten und weltweit gesehen um das drittgrößte historisch verbürgte Ereignis dieser Art.

Die Krater spuckten in dieser Zeit ca. 12 Milliarden m³ Lava, Asche, Schwefeldioxyd und verschiedenste Gase aus. In historischen Dokumenten wird von mehreren hundert Meter hohen Rauchfontänen berichtet. Zwei riesige Lavaströme wälzten sich in Flussbetten auf das Meer zu, wobei die beiden Flüsse vollständig verdampft wurden. Im Umkreis von ca. 40 km wurden alle menschlichen Behausungen zerstört.

In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: "Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten. Außerdem drang das Sonnenlicht nicht mehr durch. Alles war von Dunst eingehüllt." Neben der Atemnot litten Menschen und Tiere besonders am akuten Wassermangel. Das gesamte Trinkwasser war durch eine viel zu große Menge an Fluoriden vergiftet und nicht mehr genießbar. Bei der Katastrophe kamen etwa 10.000 Menschen direkt oder indirekt ums Leben, das entspricht einem Fünftel der damaligen isländischen Gesamtbevölkerung. Die Tierbestände Islands gingen dramatisch zurück. Dies betraf sowohl Haustiere als auch wildlebende Tiere. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 80% der Schafe und 75% der Pferde eingingen. Es folgte eine jahrelange Hungersnot, denn so lange dauerte es, bis sich die Lebensverhältnisse auf der Insel wieder einigermaßen normalisierten. Damals gehörte Island noch zu Dänemark und das zuständige Ministerium in Kopenhagen erwog zunächst eine völlige Evakuierung der Insel, weil man nicht bereit war die immensen Kosten für den Wiederaufbau zu tragen.

Die Vulkanausbrüche hatten aber nicht nur Folgen für Island selbst, sondern für ganz Europa und noch weit darüber hinaus. Besonders davon betroffen waren England und Frankreich aber auch alle anderen Länder. Man geht davon aus, dass auf den britischen Inseln im August und September 1783 ca. 23.000 Menschen an den Folgen der Vulkanausbrüche starben, insbesondere an Vergiftungen. In England und Frankreich stieg die Sterblichkeitsrate im Winter 1783/84 um ca. 25%. In den angrenzenden Ländern dürften ähnliche Zahlen erreicht worden sein, doch gab es dort noch keine Aufzeichnungen dieser Art.

Die Hochwassermarke über dem Eingang der Kirche "Sankt Maria in Lyskirchen" in Köln
zeigt den unglaublichen Wasserstand des Rheins am 28. Februar 1784

Parallel zu den isländischen Vulkanausbrüchen ereignete sich in Japan eine weitere Katastrophe dieser Art. Am 03. August 1783 brach auf der Halbinsel Honshu der Asama aus, von dem bereits noch ältere Aktivitäten verbürgt sind. Der Ausbruch von 1783 ist allerdings bis heute die heftigste registrierte Aktivität dieses Vulkans. Dabei wurde die Spitze des Vulkankegels weggesprengt und gewaltige Mengen an Asche und Staub in die Atmosphäre geschleudert. Heute ist von diesem Vulkan nur noch ein Stumpf vorhanden, der oben eine Art Plateau bildet.

Etwa 1000 Menschen starben unmittelbar durch heiße Lava oder erstickten an den ausgestoßenen Gasen. Aber auch hier waren die Langzeitfolgen noch wesentlich schlimmer: Für mehrere Monate wurde das Sonnenlicht durch den Staub blockiert und es kam zu Missernten und Hungersnöten. Allein in Japan sollen ca. 1,4 Millionen Menschen an den Folgen der Katastrophe gestorben sein.


Das Klima verändert sich spürbar

Durch die gewaltige Energie die bei den Vulkanausbrüchen freigesetzt wurde, gelangten Asche und Staubpartikel bis in die Stratosphäre und konnten sich somit auf dem ganzen Globus verteilen. Diese Staubwolken wurden in den folgenden Monaten überall auf der Welt als eine Art Dunstschleier wahrgenommen, der sich vor die Sonne schob. Astronomen berichteten, dass in etwa 10.000 Fuß Höhe "große Wolken trockenen Nebels" dahin zogen.

Die Staubpartikel führten aber auch noch zu weiteren ungewöhnlichen Phänomenen, die in verschiedenen Ländern beobachtet wurden. Neben dem seltsamen "Höhennebel" kam es zu außerordentlich farbenprächtigen Sonnenuntergängen und Polarlichtern. Viele Künstler der damaligen Zeit hielten diese besonderen Himmelserscheinungen in ihren Werken fest.

Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich durch die reduzierte Sonneneinstrahlung die Durchschnittstemperatur für mindestens 5 Jahre spürbar verringerte. Es kam in vielen Regionen der Erde zu Missernten und einer erheblichen Verschlechterung des Nahrungsangebotes. Die Folge waren weit verbreitete Hungersnöte und Mangelkrankheiten.

Besonders dramatische Veränderungen zeigten sich im Winter 1783/ 84. Die Kälte betraf ganz Europa, wurde aber auch in Asien und Amerika registriert. Der Politiker und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin verzeichnete z.B. auch im Osten der Vereinigten Staaten eine bemerkenswerte Kältewelle. Der Hafen von New York war 10 Tage lang zugefroren und der Long Island Sound konnte mit Schlitten befahren werden. Auch der anschließende Sommer war ungewöhnlich kalt und feucht. Untersuchungen an den Jahresringen von Bäumen in Sibirien und Alaska zeigten, dass der Sommer 1784 in diesen Regionen der kälteste innerhalb von 500 Jahren war.


Der Winter 1783/ 84 in Nord- und Mitteleuropa

Besonders dramatisch war der Verlauf dieses Winters aber in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Er war außergewöhnlich kalt und schneereich und ging als einer der härtesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Die Frostperiode begann schon im November 1783 und hielt praktisch den ganzen Winter über an, bis März 1784. Die Temperaturen fielen überall in Europa auf Rekordmarken (siehe Tabelle).

Sämtliche Flüsse Nordeuropas waren wochenlang zugefroren und wurden überall als Verkehrswege benutzt, da die Straßen ohnehin durch den vielen Schnee nicht passierbar waren. Vielerorts wurden auf den zugefrorenen Eisflächen auch Märkte oder Feste abgehalten. Sogar der "Große Belt" an der Ostsee war vollständig zugefroren, sodass man mit dem Pferdeschlitten von Dänemark nach Schweden fahren konnte. Die Kälte regierte auch im ansonsten eher von kalten Wintern verschonten Italien. Hier war z.B. die Lagune von Venedig für mehrere Wochen zugefroren.

In Prag gab es in diesem Winter 73 Tage, an denen die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt stieg. Die Saale war für volle 20 Wochen zugefroren und das Eis erreichte an manchen Orten eine rekordverdächtige Stärke. Die Elbe war bei Dresden über einen Meter dick zugefroren und bei Köln erreichte die Eisschicht auf dem Rhein sogar eine Stärke von 3 m!

Hinzu kam, dass in diesem Winter unglaubliche Mengen Schnee fielen. Mancherorts gab es von Weihnachten 1783 bis Mitte Februar 1784 kaum einen Tag, an dem es nicht schneite. Im Rhein-Neckar-Raum fielen Ende Dezember 1783 innerhalb von zwei Tagen fast 50 cm Neuschnee. Insgesamt erreichte die Schneedecke in Heidelberg und in Köln eine Stärke von etwa 1,50 m. In Würzburg soll die Schneehöhe sogar 1,80 m betragen haben.


Auszüge aus historischen Wetteraufzeichnungen des Winters 1783/ 84:

Die Hochwassermarken am Holzturm in Mainz. Auch hier ist der Pegel von 1784 das größte
registrierte Hochwasserereignis. Der Text in der weißen Einlage lautet:"Wie hoch in seiner
Fluth einst stieg der Rhein, sagt hier der Nachwelt dieser Stein. Den 2 Merz 1784"

Rheingauer Geschichts- und Weinchronik:
"Die Kälte, wie bereits gemeldet worden, fing frühe an und dauerte stets fort. Den 31. December und 1. Jänner war die größte Kälte, sie soll 4 Grad stärker als je in diesem Jahrhundert gewesen sehn, den 13. und 14., 30. und 31. Jäner war sie fast eben so groß. Eine Menge Leute sind in allen Ländern verfroren. In unserer Gegend des Rheingaues hörte man nur von einem Gladbacher und einem Steppeshäuser, die aus dem Rheingau nach Hause giengen und unweit ihren Dörfern verfroren gefunden wurden."

"Baerler Chronik" der Pfarrers Ludwig Neomagus:
"Im Jahre 1784, den 2. Januar, setzte sich der Rhein bei ziemlich hohem Wasser. Er wurde als eine Landstraße gebraucht, und die schwersten Frachtkarren fuhren über das Eis. Zu Ende des Januars und im Anfang des Hornungs (Februar) fiel eine unglaubliche Menge Schnee, man konnte nur mit großer Mühe von dem einen Hause zum anderen kommen."

Chronik der Stadt Kitzingen/ Main:
"Der Winter stellte sich frühzeitig ein, und die Kälte trat bis zum 1ten Januar 1784 im höchsten Grade, desgleichen in dem halben Februar, wie noch nicht gewesen ist von 14ten bis zum 22ten Januar schneite es unaufhöhrlich fort, an manchen Orten lag der Schnee 6 Schuhe tief (mehr als 1,5 m), der Mayn konnte alenthalben mit geladenen Wagen überfahren werden."

Chronik Wiesenbronn/ Main:
"Anno 1784: In dießen Jahr haben wier gar einen graußamen und kalden Winder gehabt daß mann gemeint eß müßt alles erfrieren, daß sich der allerErste Mann nicht gedenken hat könen da eß den an den Neüen Jahr angefangen mit großer und grimicher Kelde und mit vielen heüffigen Schnee aufeinander geworfen bieß an den 20. February, da ist so schnell gangen mit den großen und heüffigen Schnee mit vielen heüffigen regen und Wind…"

Allerdings war nicht nur der Winter 1783/ 84 sehr streng und lang, denn auch die folgenden Jahre brachten in ganz Deutschland enorme Kälte und viel Schnee. Am 28. Februar 1785 betrug die Tiefsttemperatur in Leipzig -29 °C. und in Waldheim sogar -34° C. Weitere drei Jahre später wurde in Berlin der kälteste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen registriert. Zum Glück wiederholte sich in diesen Jahren aber nicht der fürchterliche Eisgang des Winters 1783/84.


Das "Jahrtausendhochwasser" von 1784

Nach wochenlanger Kälte setzte Ende Februar 1784 das Tauwetter ein. Die Temperaturen stiegen in kurzer Zeit örtlich auf zweistellige Plus-Grade an. Hinzu kam, dass während des Tauwetters heftige Regenfälle einsetzten und so die Lage noch zusätzlich verschärften. Jetzt taute überall der Schnee und bildete Sturzbäche, die sich auf die großen Flüsse zu bewegten. Das Tauwasser floss zum Teil auf den gefrorenen Eisflächen ab, gelangte aber mehr und mehr auch unter das Eis. Der Druck wurde immer größer und schließlich wurde das Eis von unten aufgesprengt.

Das Aufbrechen des Eises war ein sehr gefährlicher Moment, nicht nur weil damit das Hochwasser erst richtig in Fahrt kam, sondern weil die flussabwärts stürzenden riesigen Eisschollen alles mitrissen, was sich ihnen in den Weg stellte. Der Aufenthalt in Ufernähe, auf Brücken oder Schiffen wurde dadurch sehr gefährlich. Die Verwaltungen der Städte waren auf diesen Moment vorbereitet und signalisierten ihren Bürgern und den weiter unten liegenden Ortschaften die drohende Gefahr durch Kanonenschüsse. Wie eine Stafette liefen die Donnerschläge flussabwärts, um vor dem nahenden Unheil zu warnen.

Die Eisaufbrüche erfolgten zeitlich etwas versetzt von Westen nach Osten. Es begann am 23. Februar mit der Schelde in Belgien und Frankreich, zwei Tage später an der Maas, am 26.02. am Rhein, am 27.02. an Regnitz, Neckar, Lahn und Main, am 28.02. an der Elbe und am 29.02. an der Donau.

Durch die ungeheuren Schmelzwassermengen in Verbindung mit dem zusätzlichen Regen entwickelte sich fast an allen Flüssen eines der größten Hochwässer der letzten 1000 Jahre. Am Rhein bei Köln sowie an Moldau und Mosel blieb es bis heute das höchste jemals gemessene Hochwasser. Die Situation wurde besonders dramatisch, wenn sich Eis und Treibgut vor den Brücken verkeilten und es dann zu einem Rückstau kam, der den Druck auf die Bauwerke noch zusätzlich verstärkte. Unzählige Brücken konnten dieser Belastung nicht standhalten und wurden schwer beschädigt bzw. zerstört.

Die vom Hochwasser zerstörte "Alte Brücke" in Heidelberg

Viele Städte wurden erheblich in Mitleidenschaft gezogen und zu großen Teilen überflutet. Besonders stark betroffen waren Köln, Bamberg, Würzburg, Heidelberg, Dresden und Prag. Aber noch viele andere Städte erlitten große Schäden, von denen sie sich lange Zeit nicht erholten.

Neben den Brücken und Wohnhäusern in unmittelbarer Ufernähe, waren auch besonders viele Mühlen von dem Hochwasser betroffen, die naturgemäß alle sehr dicht an der Gefahrenzone standen. Zahllose Öl- und Getreidemühlen wurden weggerissen und die hier eingelagerten Lebensmittelvorräte vernichtet. Dies hatte in den folgenden Monaten eine Verschärfung der Hungersnot zur Folge, weil es kaum noch Mühlen gab, die das ohnehin durch die Wetterlage sehr knappe Getreide mahlen konnten.

In Köln waren die Folgen des Hochwassers besonders dramatisch und die Opferzahl entsprechend hoch. Am 27.02.1784 wurde ein Pegelstand von 13,55 m gemessen (bei einem Normalpegel von 3,48 m!). Das ist bis zum heutigen Tage der höchste jemals in Köln gemessene Wasserstand. Weite Teile der Stadt wurden unter Wasser gesetzt und viele Wohnhäuser durch Eisblöcke so groß wie voll beladene Heuwagen und Treibgut zerstört. Insgesamt 65 Kölner verloren durch das Hochwasser ihr Leben. Sämtliche Schiffe auf dem Rhein wurden von den Eismassen zerstört. Allerdings gab es 1784 in Köln keine Brücken über den Rhein. Der Verkehr über den Fluss wurde zu dieser Zeit ausschließlich mittels Fähren betrieben. Noch schlimmer als Köln traf es übrigens Mühlheim auf der rechten Rheinseite, das völlig zerstört wurde.

Auch Würzburg war besonders stark betroffen. Neben den Mainbrücken wurden hier besonders viele Kirchen verwüstet. Dabei wurden teilweise sogar Leichen aus den Gräbern gespült und viele historische, unwiederbringliche Dokumente gingen verloren. Anders als in Köln sind in Würzburg aber keine direkten Todesopfer bekannt. In ihrer Not versuchten die Würzburger sogar das sich vor der Mainbrücke stauende Eis durch Kanonenschüsse zu zerteilen.

In Heidelberg gab es eine gedeckte Holzbrücke aus dem Jahre 1708 über den Neckar. Ungefähr zwei Wochen vor dem eigentlichen Hochwasser setzte für eine kurze Zeit Tauwetter ein, in der das Eis aufbrach. Riesige Eisschollen trieben den Neckar hinab und blieben an der Brücke hängen, wo sie anfingen sich zu stapeln. Plötzlich sanken die Temperaturen wieder unter den Gefrierpunkt und der Neckar fror erneut zu. Das Thermometer fiel auf -30° Celsius und alles erstarrte zu Eis. Als dann Ende Februar der Neckar abermals aufbrach, trafen die neuen Eisblöcke auf die an der Brücke bereits festgefrorenen Schollen. Gemeinsam übten sie einen so gewaltigen Druck auf die Brücke aus, dass sie schließlich von den Fluten mitgerissen wurde. Nur die steinernen Pfeiler blieben erhalten. Noch im gleichen Jahr wurde mit dem Bau einer Ersatzbrücke begonnen, einer massiven Steinbogenbrücke, die noch heute unter dem Namen Karl-Theodor-Brücke besteht.

In Prag stieg das Wasser der Moldau nach dem Zerbersten der Eisdecke in nur 12 Stunden um ganze 4 m an. Der gesamte Zeitraum vom Beginn des Tauwetters bis zum höchsten Hochwasserstand betrug nur 45 Stunden. Es blieb also nur eine sehr kurze Zeit, um entsprechende Sicherungsmaßnahmen einzuleiten. Die weltberühmte Karlsbrücke war zu dieser Zeit eine der eindruckvollsten Steinbogenbrücken Europas. Auch sie wurde erheblich beschädigt und an einer Stelle sogar von massiven Eisblöcken durchstoßen. Dabei kamen einige Soldaten ums Leben, die in einer Wache auf der Brücke stationiert waren.

Ein weiteres herausragendes Brückenbauwerk der damaligen Zeit war die "Steinern Bruckn" in Regensburg. In ihrer bis dahin 600 jährigen Geschichte hatte sie schon so manches Hochwasser und manchen Eisgang überstanden. 1784 wurde sie aber ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen, als ein heftiger Eisstoß zum Einsturz eines Brückenturmes führte. Der Turm musste komplett abgetragen werden und wurde nie wieder aufgebaut.

In Hann. Münden wurde die alte Steinbogenbrücke über die Werra so stark beschädigt, dass sie schließlich gesprengt werden musste.

Hochwassermarke in unmittelbarer Nähe der Karlsbrücke (Prag)

Auch in Bamberg waren die Verwüstungen enorm. Am 28.02.1784 wurden alle Regnitzbrücken zerstört, darunter auch die damals sehr berühmte Seesbrücke aus dem Jahre 1752. Sie war eine massive Steinbogenbrücke in barockem Stil und galt als eine der schönsten Brücken Europas. Auf ihr standen mehrere wertvolle Rokokofiguren. Der dramatische Einsturz wurde von Friedrich Rübner in einem Gemälde festgehalten (siehe "weitere Bilder...") An ihrer Stelle wurde 1829 von Franz Schierlinger eine der ersten Kettenbrücken Deutschlands gebaut.

Dies waren nur einige Beispiele für die unzähligen Brücken, die von diesem katastrophalen Ereignis betroffen waren. Die fehlenden oder beschädigten Brücken führten in den folgenden Monaten und Jahren beim Waren- und Nachrichtenaustausch sowie beim Reiseverkehr vielerorts zu großen Problemen. Natürlich machte man sich schon bald an die Reparatur der Brücken oder entwarf Planungen für Ersatzbauwerke. Aber nicht überall waren die technischen und finanziellen Mittel vorhanden, die Infrastruktur sofort wieder herzustellen. Aus Bamberg ist z.B. bekannt, dass die zerstörten Regnitzbrücken noch lange Zeit für ein wahres Verkehrschaos sorgten.

Eine Übersicht der mir bekannten Brücken, die durch das Hochwasser 1784 zerstört oder beschädigt wurden, sind der obigen Tabelle zu entnehmen. Wenn Sie Informationen über weitere von diesem Hochwasser betroffene Brücken haben, (oder Fotos entsprechender Hochwassermarken) wäre ich Ihnen für eine E-Mail Nachricht sehr dankbar.

Quellen:
  • Prof. Toaldo von Padua: "Meteorologischer Zustand des Winters in Italien vom Jahr 1784"
  • E.L. Gronau: "Einige Bemerkungen der diesjährigen Winterkälte"
  • Magazin der Sächsischen Geschichte: "Ausführliche Nachricht von der großen Elblfuth in Sachsen am 29. Februar 1784"
  • Markus Hölzel: "Das Rheinhochwasser von 1784"
  • Lorenz Hübner: "Gräuliche Überschwemmungsgeschichte von den Monaten Hornung und März des Jahres 1784"
  • Cosimo Allesandro Collini: "Über die Überschwemmungen des Neckars bey Mannheim..."
  • Joachim Scheer: "Versagen von Bauwerken"
  • diverse Internetseiten


www.bernd-nebel.de

© Dipl.Ing. Bernd Nebel