ursprünglich "Pons Aelius", italienisch: "Ponte S.Angelo"
© Uwe Thon
Neben einer Vielzahl früher Holzbrücken gab es im antiken Rom insgesamt acht Steinbogenbrücken, von denen fünf über den Tiber führten. Die erste steinerne Brücke Roms war vermutlich der Pons Aemilius, der wahrscheinlich 241 v.Chr. vollendet wurde. Von dieser Brücke steht noch heute ein einzelner Bogen, der als "Ponte Rotto" (kaputte Brücke) genannt wird.
Die erste Erwähnung der Milvischen Brücke "Pons Milvius" stammt aus dem Jahre 207 v.Chr., so dass sie ähnlich alt sein dürfte wie der Ponte Rotto. Die nächste Steinbrücke Roms war der Pons Fabricius (62 v.Chr.), der im Volksmund auch "Ponte Quattro Capi" genannt wird. Sie führt beim Amphietheater des Marcellus auf die Tiberinsel und ist die älteste vollständig erhaltene antike Brücke Roms. Ebenfalls noch in einem guten Zustand befindet sich der Ponte San Bartolomeo, ursprünglich Pons Cestius genannt, aus dem Jahre 44 v.Chr.
Die Engelsbrücke aber ist die jüngste und vollkommenste, zugleich aber auch die am besten erhaltene antike Brücke Roms. Im Altertum galt sie als die schönste Brücke der Welt und das sicher nicht ganz zu Unrecht. Wie Fischer von Erlachs Stich zeigt, entspricht ihre Bausubstanz heute im Wesentlichen noch dem historischen Zustand, obwohl sich ihr äußeres Erscheinungsbild im Laufe der Jahrhunderte durchaus verändert hat.
Der Bogen rechts entspricht noch dem Originalzustand, während das linke Gewölbe erst bei einer Renovierung im 19. Jhd. hinzugefügt wurde © Lutz-Henrik Basch |
Der Bau der Engelsbrücke steht in engem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Errichtung der Engelsburg. Dieses gewaltige Bauwerk mit kreisrundem Grundriss, ließ Kaiser Hadrian (76-138 n.Chr.) als seine Grabstätte errichten. Hadrian stammte aus Italica in Südspanien und wurde im Jahre 117 n.Chr. römischer Kaiser. Allerdings erlebte er die Vollendung seines Mausoleums nicht mehr, denn er starb bereits ein Jahr vorher.
Im antiken Rom führte die Engelsbrücke vom Marsfeld aus über den Tiber direkt auf die Engelsburg zu. Die architektonische Einheit aus Brücke und Burg wurde im Laufe der Geschichte noch durch Plastiken in Engelsgestalt verstärkt, die zuerst auf der Burg und später auf der Brücke aufgestellt wurden. Kaiser Hadrian hieß mit vollem Namen Publius Aelius Hadrianus und nach ihm wurde die Brücke "Pons Aelius" genannt. Auch die Engelsburg trug ursprünglich einen anderen Namen, nämlich "Mole Adriana". Der Name Engelsburg oder auf Italienisch "Castel Sant' Angelo" entstand erst, als nach einer überstandenen Pestepidemie im Jahre 1753 eine bronzene Engelsskulptur auf ihrem Dach errichtet wurde.
Im Mittelalter wurde die Engelsburg zur Festung ausgebaut, war aber zeitweise auch Gefängnis, später Hinrichtungsstätte, und diente schließlich als Fluchtburg für die Päpste. Zu diesem Zweck verbindet seit dem Mittelalter ein verborgener Gang, der so genannte "Passetto", den Vatikan mit der Engelsburg.
Die Engelsbrücke wurde in der Zeit von 130 bis 134 n.Chr. errichtet. Ihr Baumeister soll ein Messius Rusticus gewesen sein. An anderer Stelle wird aber auch Demetrianus genannt, der Architekt der Engelsburg. Über den Bau der Brücke gibt es heute keine spezifischen Quellen mehr. Wie die Römer grundsätzlich an den Bau einer Steinbogenbrücke herangingen, ist jedoch größtenteils bekannt. Besonders das Werk "De Architectura" (27 n.Chr.) des Militäringenieurs Marcus Vitruvius Pollio gibt uns einen detaillierten Einblick in die römische Brückenbaukunst.
Etwa so könnte die Engelsbrücke im Altertum ausgesehen haben. Die Brüstungen bestehen aus einer durchgehenden Steinmauer und die seitlichen Flutöffnungen sind noch vorhanden. Rekonstruktionsversuch von Fischer von Erlach, nach einer römischen Münze Johann Bernhard Fischer von Erlach: "Entwurff Einer Historischen Architectur"; Leipzig, 1725 |
Bemerkenswert ist die Gründung der Stützpfeiler im Tiber, die überhaupt nur möglich war, weil die Römer bereits einen Beton namens "Opus Caementitium" kannten, der auch unter Wasser abbindet. Die Bögen bestanden wie bei fast allen römischen Steinbrücken aus exakten Halbkreisen. Trotz enormer Fähigkeiten im römischen Steinbrückenbau ging die Entwicklung erst in spätrömischer Zeit bis zum Segmentbogen weiter.
Das ursprüngliche Aussehen der Brücke in der Antike lag lange Zeit im Dunklen. Im Mittelalter glaubten viele namhafte Künstler und Gelehrte sogar, die Brücke sei ursprünglich überdacht gewesen. Erst die Rückseite einer Münze aus hadrianischer Zeit brachte Klarheit: die Brücke hatte kein Dach aber auf jeder Seite standen vier riesige bronzene Statuen: Siegesgöttinnen mit Lorbeerkränzen zu Ehren Hadrians. Im Zentrum über dem Tiber waren drei große Bögen vorhanden, die noch heute im Originalzustand erhalten sind. An den Uferseiten gab es jeweils zwei kleinere, höher gelegene Bögen, sogenannte Flutöffnungen.
Eine Vorstellung davon, wie die Brücke im Mittelalter aussah, bevor sie von Bernini umgestaltet wurde, gibt die abgebildete Vedute von Giovanni Battista Piranesi (1720-1778). Piranesi zeigt uns die Brücke ohne Brüstung und ohne die Engelsfiguren, obwohl diese schon fast 100 Jahre früher aufgestellt wurden. Sein Interesse galt vor allem denjenigen Details, die der Betrachter normalerweise nicht sehen kann, wie z.B. die Fundamentierungen. Piranesi lässt hier seiner Fantasie freien Lauf, ohne zu wissen wie die Brücke wirklich gegründet wurde. Und er irrt sich mit seiner Interpretation auch gewaltig.
So stellte man sich im Mittelalter die Gründung der Engelsbrücke vor.
Vedute von Giovanni Battista Piranesi |
Schon bevor Piranesi sein berühmtes Werk veröffentlichte, wurden wesentliche Veränderungen an der Brücke vorgenommen. So ließ Papst Nikolaus V das gesamte Bauwerk im Jahre 1450 vollständig renovieren. Auch Papst Clemens IX (1667-1669) führte verschiedene Baumaßnahmen durch und ließ Apostelstatuen aufstellen.
Im Zuge der diversen Umbauarbeiten wurde irgendwann auch ein wesentliches Element der Brücke durch seitliche Vorbauten verdeckt, nämlich die runden Flutöffnungen oberhalb der Pfeiler. Eine Vorstellung dieses sinnvollen Details gibt zum Beispiel der heute noch vorhandene Pons Fabricius.
Durch die Öffnungen wurde einerseits Gewicht eingespart und andererseits ein Notüberlauf für Hochwasser geschaffen. Der Druck auf die Oberstromseite der Brücke und die Pfeiler konnte dadurch entscheidend verringert werden. Dass die Engelsbrücke ebenfalls solche Öffnungen besaß, entdeckte man erst bei einer weiteren Renovierung im Jahre 1892.
Die wichtigsten, und bis heute für das Gesamterscheinungsbild prägenden Änderungen, wurden 1671 im Auftrag von Papst Clemens X (1670-1676) durchgeführt. Vermutlich auf den Vorschlag von Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) ließ er zehn Engelsstatuen aufstellen, die der Brücke auch ihren heutigen Namen gaben. Bernini stammte aus Neapel und galt zur damaligen Zeit als der beste Bildhauer Italiens. Jede der Slulpturen auf der Engelsbrücke trägt ein Symbol des Leidensweges aus der Passionsgeschichte: Geißel, Dornenkrone, Kreuz, Nägel, Lanze usw. Dabei entspricht die Anordnung der Symbole auf der Brücke der liturgischen Abfolge des Kreuzweges.
Die beiden Originale von Berninis 'Engel mit der Kreuzesinschrift'. Links: Brücke, rechts: Kirche St. Andrea delle Fratte. © Bernd Nebel |
Allerdings fertigte Bernini nicht alle Skulpturen selbst an, wie oft behauptet wurde, sondern letztendlich nur einen, der heute auf der Brücke stehenden Engel. Bernini entwarf zwar alle zehn Statuen selbst und fertigte auch plastische Vorentwürfe von ihnen an, die dann aber von seinen talentiertesten Schülern ausgearbeitet wurden. Bernini selbst fertigte zunächst zwei Statuen persönlich an, nämlich den Engel mit der Kreuzesinschrift "INRI" und den Engel mit dem Dornenkranz.
Kurz vor ihrer Fertigstellung besuchte der Papst Bernini in seinem Atelier, um die beiden Statuen persönlich in Augenschein zu nehmen. Er war begeistert und entschied ohne lange zu zögern, dass die Statuen des Meisters unmöglich den Angriffen von Wind und Wetter auf der Brücke ausgesetzt werden dürften. Er bestellte daher umgehend Kopien dieser beiden Engel, die eigentlich von Berninis Schülern ausgeführt werden sollten.
Die Vorstellung, dass letztendlich keine einzige von eigener Hand geschaffene Statue auf der Brücke stehen sollte, gefiel Bernini aber offenbar gar nicht. Obwohl er schon über 70 Jahre alt war und schon knapp zwei Jahre lang die außerordentlich anstrengende Arbeit an den Originalstatuen verrichtet hatte, ließ er es sich nicht nehmen eine der Kopien selbst anzufertigen.
Er wählte den Engel mit der Kreuzesinschrift, der heute also die einzige Statue von Bernini auf der Brücke ist. Genau genommen handelt es sich aber nicht um eine "Kopie" in diesem Sinne, sondern beide sind doch recht stark voneinander abweichende, selbständige Skulpturen. Die beiden ursprünglich von Bernini hergestellten "Originale" befinden sich heute in der Kirche St. Andrea delle Fratte in Rom. Ironie des Schicksals: Kuppel und Glockenturm dieser Kirche stammen von Berninis lebenslangem Konkurrenten und Gegenspieler Francesco Borromini.
Bernini führte aber auch noch eine andere, architektonisch sehr bedeutsame Veränderung an der Brücke durch, nämlich die Umgestaltung der Brüstungen. Im Abstand von mehreren Metern ließ er Säulen aus Travertinquadern errichten, zwischen denen Bronzegitter einhängt wurden. Vorher bestand die Brüstung aus durchgehenden massiven Steinmauern die wesentlich wuchtiger wirkten, als die lichtdurchlässigen leichten Metallgeländer.
Geschichte zum Erleben und Anfassen: Berninis Engel und Hadrians Burg
© Michael Opitz |
Papst Clemens IX erlebte die Vollendung der von ihm veranlassten Brückensanierung nicht mehr, denn er starb nach nur zweijährigem Pontifikat im Dezember 1669. Im September waren zwar schon die ersten fünf Statuen aufgestellt worden, aber Bernini war mit "seinem" Engel erst im Oktober 1671 so zufrieden, dass er ihn als letzte der Skulpturen auf der Brücke aufstellen ließ.
Nach der Verlängerung der Brücke durch die beiden äußeren Bögen im Jahre 1892, hat sie nun eine Gesamtlänge von 135 m. Die Bögen haben Spannweiten von ca. 18 m bei einer Höhe von etwa 7 m. Die Engelsbrücke ist heute eine der bekanntesten, meistbesuchtesten und meistfotografierten Sehenswürdigkeiten Roms. Und das, obwohl sie - wie fast immer bei Brücken - völlig kostenlos besichtigt werden kann.
Man kann daher jedem Besucher Roms nur den Rat geben, sich ein wenig Zeit zu nehmen und in aller Ruhe über die heute ausschließlich Fußgängern und Radfahrern vorbehaltene Brücke zu schlendern. Dafür bieten sich am besten die frühen Morgenstunden oder der Abend an, denn das Gedränge der zahllosen Touristen ist zu allen anderen Zeiten enorm.
Selbst in der 'Ewigen Stadt' gibt es nur wenige Orte, an denen sich Geschichte so hautnah erleben lässt, wie auf dieser fast 2000 Jahre alten Brücke: unter sich der Tiber, um sich herum die filigranen Engel Berninis und vor sich das Mausoleum Kaiser Hadrians.