© Andreas Kreutzer
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Wie der Name "Erfurt" verrät, gab es schon vor Jahrhunderten an dieser Stelle eine viel benutzte Furt über die Gera, Genau genommen handelt es sich um den "Breitstrom", einen Seitenarm der Gera die den Ort zu einem wichtigen Drehkreuz auf den Ost-West-Handelswegen der damaligen Zeit machte. Insbesondere über die "Via Regia", die alte Handelsstraße Kiew-Breslau-Erfurt-Frankfurt/Main kamen viele Durchreisende nach Erfurt und damit natürlich reichliche Einnahmen für die Gewerbetreibenden aber auch für das Stadtsäckel.
Bereits um 1117 ist eine Holzbrücke nachweisbar, die aber vermutlich auch schon viele Jahre vorher bestand. Die Holzbrücken im Mittelalter wurden häufig von den Mönchen der umliegenden Klöster errichtet und diesen gehörte die Brücke dann auch, einschließlich der damit verbundenen Brückenrechte und Einnahmen. Schon damals soll es auf der Brücke Verkaufsbuden gegeben haben, die alles anboten, was Reisende benötigten.
Blick vom Turm der Ägidienkirche auf die Brücke © Bernd Nebel |
Wie bei Holzbrücken unvermeidlich, musste auch die Brücke über die Gera im Abstand von ca. 30 Jahren in ihren wesentlichen Teilen erneuert werden. Darüber hinaus teilte sie das Schicksal vieler Holzbrücken und brannte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ab, sei es aus Unachtsamkeit oder durch Brandstiftung. Historisch belegt sind Brände z.B. in den Jahren 1124, 1175, 1177, 1178, 1213, 1222 und 1245.
Aber auch im Winter und im Frühjahr drohte der Brücke Gefahr, denn die Gera war damals noch nicht der gezähmte Fluss der er heute ist: Hochwasser und Eisgang bedrohten die Fundamente und Pfeiler der Brücke. Während die Bedeutung der Flussüberquerung für den zunehmenden Handelsverkehr immer größer wurde, fiel sie auf der anderen Seite häufig aus, weil sie wieder einmal repariert werden musste.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erkannten die Ratsmitglieder der Stadt Erfurt die Gefahr, dass sich die Handelswege rasch verlagern könnten, wenn der Flussübergang weiterhin so unsicher blieb und sich irgendwo flussauf oder flussab plötzlich eine Alternative anbieten würde. Dadurch wäre den Herbergen, Schenken und Händlern in der Stadt zweifellos ein großer Schaden entstanden. Es war daher ein sehr kluger Entschluss der Stadtväter, dem Kloster die Brückenrechte abzukaufen und anstelle der alten Holzbrücke eine dauerhafte Steinbogenbrücke zu errichten. Durch diesen Schritt sicherte sich Erfurt langfristig die Vorteile, die durch die Lage an der Handelsroute entstanden.
Über den eigentlichen Bau der ersten steinernen Krämerbrücke ist nur wenig bekannt. Weder weiß man den genauen Baubeginn, noch den Namen des Baumeisters. Nachdem das Wissen um den Bau von steinernen Brücken jahrhundertelang in Vergessenheit geraten war, hatte man in Deutschland erst im 12. Jahrhundert wieder damit begonnen. Eine der Hauptschwierigkeiten bestand darin, die Pfeiler im Flussbett zu gründen, denn mit den steinernen Bögen erreichte man damals nur Spannweiten von wenigen Metern. Je nach Gesamtlänge der Brücke war also eine bestimmte Anzahl von Wassergründungen unvermeidlich.
Man weiß von anderen Brückenbauten aus dieser Zeit, wie man solche Gründungsarbeiten damals durchführte. Es kam darauf an, einen günstigen Zeitpunkt abzuwarten, zu dem der Fluss möglichst wenig Wasser führte. Als erstes versuchte man den Sand und Schlamm im Flussbett bis auf den tragfähigen Untergrund zu beseitigen, was jedoch nicht immer gelang. Die Folge davon war, dass solche Fundamente leicht unterspült werden konnten, und so den Pfeiler oder die ganze Brücke zum Einsturz brachten. Die eigentliche Fundamentierung wurde mit einer Flachgründung durchgeführt. Dazu legte man auf dem vorbereiteten Flussbett großflächige Eichenroste aus, auf denen sehr große, grob behauene Steine aufgebracht wurden. Auf diesem soliden Unterbau konnte dann der Pfeiler errichtet werden.
Einer der historischen Bögen mit Verbreiterung mittels Sprengwerk © Bernd Nebel |
Die Fertigstellung der Krämerbrücke erfolgte 1325. Sie hat eine Gesamtlänge von 79 m und besteht aus sechs Bögen mit Spannweiten von 4,80 bis 7,80 m. Ihre ursprüngliche Breite betrug etwa 22 m. Auf beiden Seiten der Brücke wurden Kirchen errichtet, die Benediktinerkirche auf der Ostseite und die Ägidienkirche auf der Westseite. Während die Ägidienkirche auch heute noch besteht, wurde die Benediktinerkirche 1810 abgebrochen. Wie es bereits bei der Holzbrücke üblich gewesen war, erteilte man einigen Händlern das Privileg, ihre Buden direkt auf der Brücke zu errichten. Es gab in der ganzen Stadt keinen besseren Ort für ein solches Geschäft, denn durch dieses Nadelöhr mussten alle durchziehenden Händler und Reisenden hindurch.
Während der ersten 150 Jahre ihres Bestehens gab es auf der Brücke nur Holzbuden und unbewohnte Verkaufsstände. Bei einem verheerenden Brand im Jahr 1472, dem auch große Teile der Altstadt zum Opfer fielen, brannten auch die Verkaufsbuden größtenteils nieder, während die Brücke selbst die Katastrophe weitgehend unbeschadet überstand. Den bis 1486 dauernden Wiederaufbau nutzte man auch zu einer Verbreiterung des Brückenoberbaus auf ca. 22 m durch seitlich auskragende Sprengwerke. Den gewonnenen Platz nutzte man zum Bau mehrstöckiger Wohnhäuser, in deren Untergeschossen wiederum Verkaufsläden eingerichtet wurden. Erst seit dieser Zeit ist die Krämerbrücke wirklich als "bebaut" zu bezeichnen.
Beim Spaziergang über die Brücke ist sie als solche nicht zu erkennen © Bernd Nebel |
Ursprünglich waren es 62 kleine Häuser, die auf beiden Seiten der Brücke Platz fanden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden aber immer wieder Gebäude zusammengelegt, um größere Wohneinheiten zu schaffen. Dadurch sind es heute nur noch 32 Häuser, obwohl die Brücke immer noch vollständig bebaut ist.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Bestand der Brücke nur einmal ernsthaft in Frage gestellt. Die Bestrebungen im Jahre 1895 die Brücke durch einen Neubau zu ersetzen, scheiterten aber glücklicherweise an ihrer Finanzierbarkeit. Danach setzte sich aber mehr und mehr der Gedanke durch, dass man ein Bauwerk mit einer solchen kulturhistorischen Reputation auf jeden Fall erhalten müsse.
Es unterstreicht die Bedeutung der Brücke, dass sie auch zu DDR-Zeiten recht gut Instand gehalten wurde, während andere historische Bauwerke in Ostdeutschland dem Verfall preisgegeben wurden. Heute kümmern sich mehrere Stiftungen um den Erhalt und das Erscheinungsbild der Brücke. Insbesondere die "Stiftung Krämerbrücke" bemüht sich darum, neben der rein baulichen Erhaltung auch dafür zu sorgen, dass sich zu einer Krämerbrücke passendes Gewerbe in den Häuserzeilen ansiedeln kann und nicht etwa Handyläden oder Spielsalons.
Unter der Brücke fließt der Breitstrom, der durch das "Dämmchen" in zwei Arme geteilt wird © Bernd Nebel |
Inzwischen steht die Brücke natürlich unter Denkmalschutz und ist ausschließlich den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten. Dem Besucher präsentiert sie sich als das was sie immer war, nämlich als eine quicklebendige Gewerbestraße mit Antiquitäten- und Bildergeschäften, Wein- und Schmuckläden usw. Es passiert immer wieder, dass Besucher, die sich nicht schon vorher etwas mit Erfurt beschäftigt haben, durch die Häuserzeile schlendern und gar nicht bemerken, dass sie sich auf einer Brücke befinden. Das Wasser oder die Ufer des Breitstroms kann man von der Straße aus nämlich nicht sehen, allenfalls wenn man sich in einem der Häuser aufhält und aus dem Fenster schaut.
Besonders interessant ist das Gebäude mit der Nummer 31, denn dort befindet sich das "Haus der Stiftungen", gleichzeitig der Sitz der "Stiftung Krämerbrücke" http://www.erfurt.de/ef/de/wirtschaft/partner/stiftungen/kraemerbruecke/index.html Das Gebäude kann einschließlich des interessanten Kellers, der sich in einem der Brückenpfeiler befindet, besichtigt werden.
Seit 1990 findet alljährlich, jeweils am dritten Wochenende im Juni, das Krämerbrückenfest statt, das sich aber nicht nur auf die direkte Umgebung der Brücke beschränkt, sondern in ganz Erfurt gefeiert wird. Kernpunkt der Veranstaltungen ist ein historischer Markt, auf dem es allerlei mittelalterliches Treiben zu sehen gibt, wie z.B. Gaukler, Bänkelsänger und die Darbietung alter Handwerkstechniken.