Die Fleher Rheinbrücke

Düsseldorf-Flehe, Deutschland


Der Rhein bei Niedrigwasser

Die elegante Brücke über den Rhein bei Düsseldorf/Flehe ist gleichzeitig Abschluss und Höhepunkt einer Serie von richtungsweisenden Schrägseilbrücken, die nach dem zweiten Weltkrieg am Niederrhein entstanden.

Der Stahlbeton-Pylon im Bau (ca. Juni 1977)

Der längste deutsche Fluss, der Rhein, stellte für alle Reisenden und Handel treibenden schon immer ein gewaltiges Hindernis dar. Die Römer bauten die ersten widerstandsfähigen Bauwerke über diesen Fluss, von denen heute noch einige zumindest teilweise erhalten sind. Im Mittelalter ging das technische Wissen für solche Bauwerke jedoch verloren und die Menschen mussten wieder mit der Benutzung von Fähren oder Furten zu Recht kommen.


Jede Brücke hat ihre Vorgeschichte

Ab 1453 ist bei Hamm eine Fähre nachweisbar, die auch die Orte Düsseldorf und Neuss miteinander verband. Als die Eisenbahn aufkam mussten die Reisenden zunächst in die Fähre umsteigen, um ihren Weg auf der anderen Seite des Flusses fortsetzen zu können. Im Jahre 1870 wurde im Zuge der Eisenbahnlinie Düsseldorf-Neuss die König Wilhelms Einsenbahnbrücke bei Hamm errichtet, eine halbparabelförmige Fachwerkträgerbrücke. Dieses Bauwerk wurde 1945 von deutschen Soldaten gesprengt aber schon ein Jahr später wieder in Betrieb genommen.

Nach dem Krieg wurde der schnell zunehmende Straßenverkehr immer wichtiger und verlangte nach eigenen Brücken für die Kraftfahrzeuge. In dieser Situation ging von Düsseldorf eine Entwicklung aus, die später Einfluss auf den Brückenbau in der ganzen Welt nahm. Nach der Katastrophe des Krieges mussten technische Lösungen gefunden werden, die wirtschaftlich waren und sich relativ schnell verwirklichen ließen. Dieser Druck führte besonders am Rhein zur Weiterentwicklung der Schrägseilbrücken zu einem konkurrenzfähigen System. Hier in Düsseldorf entstand in den Jahrzehnten nach dem Krieg die "Düsseldorfer Brückenfamilie". Zu dieser Gruppe von Schrägseilbrücken zählt man die Theodor Heuss Brücke (1957), die Kniebrücke (1969), die Oberkasseler Brücke (1976) und die Hafenbrücke (1990). Die maßgebenden Ingenieure und Architekten für diese neue Entwicklung waren Franz Dischinger, Friedrich Tamms, Gerd Lohmer und Fritz Leonhardt.


Besonderheiten der Fleher Brücke


Die Vorbereitungen für den Bau der Fleher Rheinbrücke Zuge der A46 begannen schon 1973 mit dem Ankauf der Grundstücke und mit der Räumung von Minen und Bomben aus dem zweiten Weltkrieg. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen 1976 mit den Gründungen für die Pfeiler der Vorlandbrücken und den Pylon. Sie wurden als Brunnengründung und teilweise als Druckluft-Senkkastengründung ausgeführt. Um das Wassergewinnungsgebiet des Wasserwerkes Flehe zu schützen, wurde die Brücke nicht wie sonst üblich rechtwinklig zum Fluss angeordnet, sondern in einem etwas spitzeren Winkel. Dadurch vergrößert sich natürlich die Hauptspannweite, die mit Hilfe nur eines Pylons überspannt wurde. Nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1979 war die Fleher Rheinbrücke mit ihrer Hauptspannweite von 368 m die am weitesten gespannte einhüftige Schrägseilbrücke der Welt.

Markanter Blickfang der Brücke ist ohne jeden Zweifel der schon aus großer Entfernung sichtbare Pylon. Er ist von der Fundamentsohle aus ca. 162 m hoch und als invertiertes Y gestaltet. Die beiden Füße des Pylons haben Durchmesser von 22 m und und stehen mit ihrer Sohle ca. 12 m unter dem Gelände. Der Vereinigungspunkt der beiden "Beine", in die ein Aufzug und eine Treppe installiert wurden, befindet sich in einer Höhe von 90 m. Waren vorher alle vergleichbaren Pylone aus Stahl hergestellt worden, riskierte man bei der Fleher Rheinbrücke erstmalig die Verwendung des wesentlich preiswerteren Spannbetons. Er entstand in ca. 19 monatiger Bauzeit mit Hilfe einer Kletterschalung.


Harmonische Architektur von Gerd Lohmer


Ungewöhnliche Perspektive vom Mittelstreifen aus fotografiert

Am 72 m hohen Stiel des Pylons sind insgesamt 96 Kabel befestigt, an denen der Hauptträger für die Fahrbahn aufgehängt ist. Alle Kabel sind in sieben Seilgruppen in nur einer Ebene angeordnet, die im Bereich des Mittelstreifens mit dem Träger verbunden sind. Die patentverschlossenen Seile sind landseitig als Harfe und wasserseitig in einer aufgelockerten Fächerform angeordnet. Ihre Durchmesser betragen zwischen 95 und 111 mm und bestehen aus bis zu 325 Einzeldrähten. Das längste Seil ist 320 m lang und wiegt ca. 25 Tonnen. Der rote Schutzanstrich der Kabel und die gleichfarbigen Streifen an den Außenseiten des Pylons tragen maßgeblich zum Erscheinungsbild der ganzen Brücke bei.

Dieses Detail sowie die Gesamtgestaltung der Brücke lag in den bewährten Händen des Architekten Gerd Lohmer, der vorher schon bei vielen großen Brückenprojekten beteiligt war. Als Beispiele seien hier die Fehmarnsundbrücke und die Severinsbrücke in Köln genannt.

Der Hauptträger der Fleher Rheinbrücke besteht aus 41 m breiten und jeweils 20 m langen Stahlsegmenten, während die Träger und Pfeiler der Vorlandbrücke aus Spannbeton hergestellt wurden. Diese Vorlandbrücke auf der Neusser Rheinseite besteht aus 13 Öffnungen mit Längen von jeweils 60 m. Für die Planung der Vorlandbrücke war übrigens Fritz Leonhardt verantwortlich, der auch für das Gesamtprojekt einen eigenen Vorschlag eingereicht hatte, der jedoch nicht zur Ausführung kam. Die Gesamtlänge der Brücke von einem Widerlager zum anderen beträgt 1.165 m.


Die Fleher Rheinbrücke heute


Die Fleher Rheinbrücke verfügt in jeder Fahrtrichtung über 3 Fahrspuren, eine Standspur sowie einen kombinierten Rad-/Gehweg. Sie wurde am 3. November 1979 für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Die gesamten Baukosten beliefen sich auf die beachtliche Summe von 94,6 Millionen DM (ca. 48,4 Millionen €), die vom Bundesverkehrsministerium aufgebracht wurden. Die Brücke trug zu einer erheblichen Entlastung der Düsseldorfer Südbrücke bei und fand in Fachkreisen große Anerkennung. Besonders ihre Gestaltung beeinflusste viele später entstandene Brückenbauwerke in der ganzen Welt. Die Fleher Rheinbrücke wird heute im Durchschnitt von 75.000 Fahrzeugen täglich überquert. Diese intensive Nutzung und ein erheblicher Schwerverkehrsanteil führen zu enormen Belastungen für alle Teile des Bauwerks.

Natürlich wird jede Brücke dieser Größenordnung (aber auch kleinere) regelmäßigen Überprüfungen unterzogen, durch die Verschleißerscheinungen und Schäden frühzeitig erkannt werden. Im Sommer 2003 wurden bei einer magnetinduktiven Prüfung der Seile einige Drahtbrüche und Beschädigungen des Schutzanstriches festgestellt, die in einem mehrjährigen Sanierungsprozess behoben wurden. Diese Schäden waren nach einer Nutzungsdauer von ca. 25 Jahren völlig normal und kein Anlass zu ernsthafter Sorge.

Allerdings wurden insgesamt neun Seile in einem komplizierten Verfahren komplett ausgetauscht. Anschließend wurden alle Kabel mit einer neuen Korrosionsschutzschicht versehen. Zunächst wurde die alte Farbe durch Abstrahlen mit Schmelzkammerschlacke entfernt. Dann folgte ein dreilagiger Anstrich in der markanten roten Farbe und endlich noch eine schützende Deckschicht. Die Sanierung der einzelnen Seile erfolgte immer Bündelweise, wobei das jeweilige Seilpaket in einer Art Tunnel eingehaust wurde. Dadurch konnten die Arbeiten weitgehend witterungsunabhängig erfolgen und umweltschädliche Reststoffe nicht nach außen dringen.

Die Sanierung konnte planmäßig bis Ende 2009 zum Abschluss gebracht werden. Nun ist die Brücke wieder ohne störende Gerüste und Einhausungen zu bewundern und wird für mindestens weitere 25 bis 30 Jahre den Verkehr sicher über den Rhein tragen.

Quellen: Interne Links:
  • Edmund Spohr und Hatto Küffner: "Düsseldorf-Neuss - Brücken über den Rhein"; Düsseldorf [2001]
  • Holger Svensson: "Schrägkabelbrücken - 40 Jahre Erfahrung weltweit"; Berlin [2011]
  • https://structurae.de
  • u.a.


www.bernd-nebel.de

© Dipl.Ing. Bernd Nebel